Ich bin alt und brauche das Geld
geben.«
»Das klingt toll!« Ich strahlte ihn an. Sämtlicher Stress war vergessen. Warum hatte ich mir eigentlich Sorgen gemacht, dass uns die Gründe ausgingen, uns zu treffen?
Die Sonne fiel durch das schräge Küchenfenster und zauberte noch mehr silberne Funken in Adrians Augen, und als er mich anlächelte, sah ich, dass sich unter seinen Bartlocken ein Grübchen versteckte.
»Ist dir eigentlich was an mir aufgefallen?«, fragte er.
Ich starrte ihn benommen an und schüttelte den Kopf.
»Ich rauche schon seit Tagen nicht mehr. Und ich glaube, diesmal halte ich es echt durch.«
»Das ist … toll«, murmelte ich, den Blick auf seinen Mund geheftet.
Er stand dicht vor mir, was zum einen daran lag, dass zwischen Küchentisch und Spüle nicht besonders viel Platz war, aber zum anderen auch daran, dass keiner von uns Anstalten machte, den Abstand zwischen uns zu vergrößern. Im Gegenteil.
Er beugte sich näher zu mir. Und ich hielt die Luft an.
»Habe ich dir schon gesagt, dass du in diesem T-Shirt sehr hübsch aussiehst?«, fragte er leise.
Die Antwort blieb mir im Hals stecken. Gleich würde er mich küssen!
»Ssarlotte, ich hab Durst«, kam es quengelnd aus dem Flur. Und gleich darauf stand ein zerzauster Dreikäsehoch in der Küchentür und blickte uns aus verschlafenen Augen an. »Ich will Cola. Und ich will Boot fahren.«
*
Für die Einlösung dieses Versprechens war es an diesem Tag noch nicht zu spät, es würde noch lange genug hell bleiben, und Paula und Mäxchen hatten ja beide ein Nachmittagsschläfchen gemacht. Adrian und ich fuhren mit Olga und den Kindern zum Mainkai, wo wir in der Nähe des Eisernen Stegs parkten. Die malerische Fußgängerbrücke führte von der Altstadt nach Sachsenhausen, oder, wie es in Frankfurter Mundart hieß, von hibb de Bach nach dribb de Bach. Wir nahmen die Kinder bei der Hand, spazierten gemächlich über die Brücke und genossen unterwegs den traumhaften Ausblick auf die Skyline und das Museumsufer. Auf der Sachsenhäuser Seite befanden sich die Restaurantschiffe sowie die Tret- und Ruderbootausleihen. Adrian mietete ein Tretboot, und obwohl es nur für vier Personen zugelassen war, durften wir ausnahmsweise zu fünft hinein, weil Mäxchen auf Adrians Schoß saß. Schließlich musste er ja das Boot lenken. Das tat er mit großem Eifer, während Adrian und ich per pedes für den nötigen Antrieb sorgten. Olga machte von hinten Fotos mit ihrem Handy, und ich hoffte, dass ich nicht zu verschwitzt darauf aussah. Das Wasser gluckerte unter unseren Füßen, und Mäxchen war der stolzeste Kapitän, den man sich vorstellen konnte. Die Abendsonne überzog den Fluss und die Ufer mit einem rotgoldenen Schleier, die ganze Szenerie war beinahe unwirklich schön. Ab und zu blickten Adrian und ich uns an, und jedes Mal schlug mein Herz einen von diesen seltsamen kleinen Trommelwirbeln. Doch ich hatte aufgehört, mir darüber Gedanken zu machen. Etwas, das sich so gut anfühlte, konnte keine Krankheit sein.
Olgas Handy sang dazu einen passenden Song, Love is in the air . Anscheinend fanden die jungen Leute von heute auch jahrzehntealte Hits aus meiner Jugend wieder akzeptabel. Ich seufzte glücklich. Dieser Tagesausklang war einfach perfekt!
Dann hörte der Song abrupt auf, denn es war nur der Klingelton für eine ankommende SMS gewesen, die Olga uns laut vorlas.
»Rückkehr morgen nicht möglich. Wehen haben eingesetzt. Rückruf zwecklos, da Klinik keine Handys erlaubt. Melde mich nach der Geburt. Küss die Kinder und grüß Charlotte. Jennifer.«
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Die grosse Luege und der falsche Alarm
Ich habe etwas wirklich Schlimmes gemacht. Ich habe eine faustdicke Luege in die Welt gesetzt. Ich habe naemlich so getan, als wuerde ich entbinden. Und nein, MUTTILI, das war nicht bloss eine Trotzreaktion von meinem inneren Kind, sondern wirklich so eine Art Betrug. An meinen armen, unschuldigen (schon auf der Welt befindlichen) Kindern, denen ich ueber Dritte seit Tagen vorgaukle bzw. vorgaukeln lasse, ich waere praktisch kurz vorm Heimkommen. Waehrend ich in Wahrheit immer noch ohne feste Abflugzeit hier in Simons Luxusvilla hocke und am liebsten sterben wuerde.
Keine Sorge, das ist nicht der Beginn eines ernst gemeinten Suizidplans, bloss eine sinnbildliche Beschreibung. Um eine furchtbare Stimmung auszudruecken, die dermassen am Boden ist, dass es tiefer wirklich nicht mehr geht.
Heute habe ich naemlich die Fotos gesehen. Simon hat sie auf meine Bitte hin machen
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