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Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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mal vor, es ist wirklich noch ein Schließfach mit Geld da. Das könnte theoretisch deins sein, oder nicht? Einer von meinen Bekannten ist Anwalt. Warte, bis ich den gefragt habe, vorher rückst du nichts raus.«
    Ich versprach es ihm, zumal es ja momentan sowieso keine Alternative dazu gab – ich konnte nichts rausrücken, was ich gar nicht hatte.
    Die Abholwindel, die Evelyn mir am nächsten Mittag in die Hand drückte, sprengte geruchsmäßig alle Dimensionen.
    »Das muss jetzt wirklich aufhören«, sagte sie, diesmal ohne jedes Kichern. »Entweder kommt Maximilian morgen ohne Windel in den Kindergarten oder gar nicht.«
    Eine Antwort darauf schien sie nicht zu erwarten, deshalb kriegte sie von mir auch keine. Dafür kam eine von Mäxchen, die ich im Stillen vorbehaltlos unterstützte.
    »Die Evelyn ist eine blöde Arsskuh«, teilte er mir flüsternd mit. Da die Evelyn noch danebenstand und sein Flüstern mindestens so laut war wie das Ich sehe tote Menschen von dem kleinen Jungen in The Sixth Sense, hatte es den Nebeneffekt, dass Evelyn sich zornbebend entfernte und uns in Ruhe ließ.
    In der Straßenbahn – an diesem Tag brauchte Doro ihren Wagen selbst – beäugten die Leute uns misstrauisch. Die Windel war fest zusammengerollt und befand sich in einer Plastiktüte, doch der Gestank durchdrang jede Hülle.
    »Ihr Kleiner hat was in der Hose«, sagte eine ältere Frau, die hinter uns saß.
    »Gar nicht wahr!«, protestierte Mäxchen entrüstet.
    »Dann deine Schwester.«
    »Nein, ich auch nicht!«, gab Paulinchen nicht minder empört zurück. »Ich bin schon fünf!«
    Die Augen der Frau wandten sich daraufhin zu mir. Ich wich ihrem spekulativen Blick aus und sagte kein Wort.
    »Das ist kein Grund, sich zu schämen«, sagte sie leise und verständnisvoll zu mir. »Es gibt da wirklich gute Sachen in der Apotheke und im Sanitätsfachhandel.«
    Zum Glück stieg sie an der nächsten Haltestelle aus. Zu Hause angekommen, marschierte ich mit meinem Höllenpaket sofort durch den Parterreflur hinaus in den Hinterhof, legte den Atemschutz in Gestalt meines Halstuchs und ein paar Einmalhandschuhe an, holte das Sieb aus dem Schuppen und machte mich an die Arbeit. Kurz darauf stieß ich einen Freudenschrei aus – der Schlüssel war wieder da!
*
    Das musste gefeiert werden. Spontan lud ich Natascha, Frau Hildebrand und Frau Ansari zum Kaffee ein. Olga holte Blechkuchen beim Bäcker, und Natascha brachte frischen Champagner mit. Den hätte sie kistenweise rumstehen, sagte sie. Einer ihrer guten Freunde hätte einen Sektgroßhandel und würde sie ständig mit dem Zeug versorgen, sie komme gar nicht nach damit, den aufzubrauchen. Frau Ansari durfte keinen Champagner trinken, wegen ihres Glaubens und weil sie wieder schwanger war, aber Frau Hildebrand nahm dafür gern ein Gläschen mehr. Wir stießen auf den aufgetauchten Schlüssel und auf Frau Ansaris Schwangerschaft an, während Olga ausnahmsweise ihren Aupair-Pflichten nachkam und mit Paula, Mäxchen und den Ansari-Kindern im Hof spielte.
    Es war eine gemütliche, lustige Runde. Frau Hildebrand erzählte uns von ihrem Ehemann, der seit vier Jahren tot war. »Zum Glück«, vertraute sie uns an. »Wenn er nicht freiwillig gestorben wäre, hätte ich ihn vergiften müssen. Die letzten Jahre war er nämlich total durcheinander. Er hat mich für seine Mutter gehalten und sich bei ihr – in Wahrheit natürlich bei mir – über mich beschwert. Andauernd. Sie können sich nicht vorstellen, was er alles an mir auszusetzen hatte.« Sie senkte die Stimme. »Wissen Sie, wer mich in seiner gestörten Art an meinen Mann erinnert? Der Hausmeister. Ich glaube, er hatte eine dominante Mutter und war Bettnässer.«
    Sie schien ziemlich viel über Kontrollzwänge und Ordnungsneurosen zu wissen. Bei ihrem zweiten Glas Schampus erzählte sie uns, dass sie früher im Vorzimmer eines Psychotherapeuten gearbeitet hatte. Da hatte sie auch ihren Mann kennengelernt.
    Hin und wieder musste eine von uns auf die Toilette, was ein wenig umständlich war, weil wir dafür Adrians Wohnung aufsuchen mussten, denn mein Badezimmer bestand derzeit nur aus einem frisch gefliesten Fußboden und kahlen Wänden. Sämtliche Sanitäranlagen und Armaturen waren von den Handwerkern herausgerissen worden. Sie wollten noch bis zum Wochenende neue einbauen, sobald die Wände fertig gefliest waren. Die Kacheln hatte ich sogar selbst aussuchen dürfen, Adrian hatte mir eine ungefähre Preisspanne genannt. Es war mir

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