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Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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Gesicht war so spitz und seine Nase so lang, dass er damit vermutlich sogar noch das verborgene Aroma auf dem Grund der tiefsten Weinkaraffe erschnüffeln konnte. Entsprechend näselnd war auch seine Aussprache, mit französisch gefärbtem Akzent – »Isch bin Bertroooh!« – und lässig einstreuten Alors und Vraiments . Er nannte mich Madame und Adrian Monsieur , führte uns an unseren Tisch und schob mir höflich den Stuhl zurecht, als wir uns setzten. Wir saßen nicht allein, sondern zusammen mit zwei anderen Paaren an einem Sechsertisch, denn das Motto des Abends war ja die gemeinsame, begleitete Weinverkostung in der Gruppe, also schon fast eine Art Seminar, unter der fachmännischen Oberherrschaft des erfahrenen Profi-Sommeliers. Die Weine und die nebenher servierten Gourmetgerichte – betitelt als »Kleine, aber feine Überraschungen aus der Küche« –, zubereitet vom hochdekorierten Restaurantbesitzer persönlich, bildeten quasi eine vollkommene Symbiose.
    Es gab noch zwei weitere Sechsertische, die Gästeanzahl war also überschaubar. Nach uns kamen noch mehrere Paare, die Bertrand ebenfalls zu ihren Tischen begleitete. Die beiden Paare, die an unserem Tisch saßen, waren in unserem Alter. Ein Professor aus Wiesbaden mit seiner Gattin, beide leicht schwitzend und übergewichtig, und ein mageres, asketisches Paar, bei dem beide so aussahen, als würden sie eigentlich nach sieben Uhr nie etwas essen. Von dem Professor und seiner Frau verstand ich leider den Nachnamen nicht (der Mann nuschelte ziemlich, für mich hatte es sich wie Professor Hnklglo angehört), aber dafür hießen die Dünnen schlicht Müller, was man sich leicht merken konnte. Die Dicken sprach ich während des restlichen Abends einfach mit Herr Professor und Frau Professor an.
    Ich war froh, dass ich mit meinem Kleinen Schwarzen nicht allzu sehr aus dem Rahmen fiel. Die Handtasche war beige und passte daher nicht hundertprozentig dazu, aber die schwarze hatte ich nicht nehmen können, weil Mäxchen die am Nachmittag (ich hatte mich nur für eine Viertelstunde hingelegt) in künstlerischer Betätigungsfreude mit einem weißen Edding-Lackstift verschönert hatte. »Das bist du und Adrian«, hatte er mir das abstrakte Gekritzel erklärt. Und mir dann beteuert, dass ich wieder unheimlich gut roch. Wie hätte ich ihm da böse sein können?
    Kaum saßen wir alle am Tisch, wurden wir auch schon von dienstbaren Geistern umschwirrt, lauter bildhübsche junge Frauen in dunklen Kostümen und nicht minder ansehnliche junge Männer in dunklen Anzügen. Sie servierten uns zur Einstimmung Champagner und dazu die erste Überraschung aus der Küche, nämlich exquisite Amuse-Gueules, in diesem Fall raffinierte Häppchen aus gegrillten Jakobsmuscheln an Zitronenschaum, wie uns die Bedienung mit gedämpfter Stimme erläuterte.
    Bertrand wartete eine Weile, bis alle sich an den kleinen Köstlichkeiten gütlich getan hatten, dann stellte er sich wie ein Prophet mitten in den Raum und blickte feierlich in die Runde. Irgendwer drehte gleichzeitig die dezent im Hintergrund spielende klassische Musik leiser.
    »Alors« , sagte Bertrand, während er mit Kennerblick seine Sektflöte hochhielt. »Der Champagner, den Sie hier vor sich haben, ist ein Chardonnay-Cuvée. Wir kennen ihn auch als Blanc de Blancs.«
    Der Champagner war wirklich gut, wenn er auch nicht an den heranreichte, den Natascha auf Lager hatte. Ich ließ mir gleich davon nachschenken, weil ich ziemlich durstig war und von Champagner nicht so aufstoßen musste wie von dem ebenfalls ausgeschenkten Mineralwasser.
    »Was ich schon immer wissen wollte«, fragte Frau Professor. »Wieso nennt man das eigentlich Cuvée?«
    »Ich glaube, das heißt Verschnitt«, sagte Frau Müller.
    »Verschnitt? Bedeutet das nicht gepanscht?«
    Bertrand hörte es und lächelte milde. » Mais non , Madame. Cuvée ist nicht panschen. Es bedeutet Keltern aus verschiedenen Rebsorten, um die Qualität zu verbessern.« Er machte eine gewichtige Pause. »Bei einem Châteauneuf-du-Pape sind beispielsweise achtundzwanzig Rebsorten zugelassen, und dabei dürfen sogar rote Rebsorten beigemischt werden.«
    Ich verschluckte mich fast an meinem Champagner und starrte Bertrand ungläubig an. Dieser Typ war so wenig Franzose, wie er Weinkenner war, aber es merkte anscheinend niemand.
    »Soll ich dir auf den Rücken klopfen?«, fragte Adrian.
    »Nein, danke, es geht schon.« Dankbar blickte ich ihn an. Und genoss den kleinen, angenehmen

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