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Ich bin an deiner Seite

Ich bin an deiner Seite

Titel: Ich bin an deiner Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Shors
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anschließend zu Georgias Haus zurückzukehren, wo die Mädchen schwimmen gehen konnten, um dann gemeinsam zu Abend zu essen.
    Ian hatte die halbe Nacht am Fenster ihres Hotelzimmers gesessen, Kates letzten Brief auf dem Schoß. Er hatte ihr Gedicht wieder und wieder gelesen, immer noch bewegt von ihren Worten. Er fühlte sich nicht länger betrogen, aber er war enttäuscht. Glaubte sie, dass es ihm so leichtfallen würde, sich wieder zu verlieben? Hätte sie sich neunzehn Monate nach seinem Tod schon mit anderen Männern getroffen?
    Jetzt, da er einen Kaffeebecher in der Hand hielt und sich der Stadt näherte, beobachtete Ian Georgia und Holly und bemerkte ihre modische Kleidung. Sie trugen große Sonnenhüte und ärmellose Kleider. Ian konnte sich nicht erinnern, dass Georgia bei ihren Besuchen in Manhattan so schick angezogen gewesen war, aber vielleicht hatte Hongkong in dieser Hinsicht auf sie abgefärbt. Viele der jungen Frauen in der Nähe sahen aus, als wären sie Teilnehmerinnen an einem Schönheitswettbewerb. Ian drückte Matties Hand und beschloss, mit ihr ein Kleid kaufen zu gehen, und er hoffte, dass sie sich nicht zu deplatziert vorkam.
    Während Georgia mit den Mädchen redete, dachte Ian an ihre Tränen über die Affäre ihres Mannes. Ian hatte diese Tränen gesehen. Er hatte sie gehört. Sie war am Boden zerstört gewesen, und jetzt schien sie wieder obenauf zu sein. Sie hatte eine erfolgreiche Karriere und eine glückliche Tochter, und sie gab sich selbstbewusst und souverän. Wie hatte sie das geschafft? War sie so viel stärker als er?
    Holly, die mit Mattie an der Hand zielstrebig voranging, führte sie von Rollband zu Rollband. Sie lief über die vollen Straßen, sprach auf Mandarin mit den Straßenhändlern, die Essen, Kleider und Sonnenbrillen anboten, und ignorierte rote Ampeln. Da Mattie in Manhattan aufgewachsen war, wusste sie, dass Ampeln manchmal missachtet wurden, aber dass ihr Vater nicht wollte, dass sie einfach über die Straße lief. Überrascht, dass Georgia nichts sagte, hielt Mattie sich weiter an Hollys Hand fest.
    Matties Blick huschte zu den Läden, an denen sie vorbeikamen. Beim Aufwachen hatte sie an Rupi denken müssen. Noch immer fühlte es sich so an, als hätte sie ihn im Stich gelassen. Vermisste er sie? War er einsam? Sie machte sich Sorgen um ihn, und nach dem Frühstück hatten ihr Vater und sie eine Mail an den Direktor des Waisenhauses geschickt und sich erkundigt, wie es Rupi ging.
    Als sie den Überfluss um sich herum sah, fragte Mattie sich, warum manche Leute reich waren und Rupi arm, warum die meisten Kinder Mütter hatten und ihre nicht mehr da war. Sie verstand die Unfairness der Welt nicht, obwohl sie ihren Vater das schon oft gefragt hatte. Sie war auch nicht sicher, ob er das verstand. Wenn sie ihm solche Fragen stellte, dann kamen seine Antworten nach langen Pausen, nachdem sein Blick umhergeschweift war und schließlich wieder zu ihr zurückfand.
    Nachdem sie beschlossen hatte, Rupi etwas auf dem Markt zu kaufen, lief Mattie weiter neben Holly her und fühlte sich viel jünger als ihre Freundin, obwohl sie es nicht war. Holly verhielt sich wie eine Dreizehnjährige, fand Mattie. Sie kannte sich in Hongkong aus. Sie konnte Mandarin. Sie trug ein bisschen Make-up und hatte Ohrlöcher.
    Mattie war jedoch nicht klar, wie ähnlich Holly und sie sich dennoch waren. Da ihr Vater sie verlassen hatte, hatte Holly immer andere Kinder beobachtet. Sie hatte sich gewünscht, bei einer anderen Familie zu leben. Sie hatte gelitten. Aber im Laufe der Jahre hatte sie gesehen, wie ihre Mutter mit Schmerzen umging, und es genauso gemacht wie sie – hart gearbeitet, sich hübsch angezogen und versucht, immer besser zu werden, bis es nichts mehr an ihr auszusetzen gab. Als sie in Hongkong angekommen waren, hatte Holly sich völlig fehl am Platz gefühlt. Selbst in ihrer Schuluniform sah sie ganz anders aus als ihre Klassenkameraden. Sie fühlte sich ganz anders. Und so hatte sie sich Mühe gegeben, nach der Schule Mandarin gepaukt und versucht, viel Zeit mit Einheimischen zu verbringen und alles so zu machen wie sie und nicht mehr so, wie sie es kannte.
    Zu Hollys Überraschung war nach ein paar Monaten etwas Wundervolles passiert – die Einheimischen hatten sie akzeptiert. Sie hatten ihr mit der Aussprache geholfen. Sie hatten ihr beigebracht, wie man feilschte, wie man die Busse benutzte, wo die besten Wanderwege waren. Ihre Mutter war natürlich immer bei ihr gewesen,

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