Ich bin an deiner Seite
wer ihn getragen hat und was er bedeutet. Und hab keine Angst, mit Deinem Papa über alles zu sprechen. Er ist ein wunderbarer Zuhörer, Mattie, wenn Du das von ihm brauchst, wenn Du ihn wissen lässt, dass Du gerne seine Hand nehmen würdest. Er wird Dir helfen. Also geh bitte zu ihm.
Wusstest Du, dass Dein Papa und ich uns gegenseitig Gedichte geschrieben haben, als wir in Nepal wandern waren? Die meisten davon waren lustig, aber ein paar handelten auch von jenen zwei Herzen. Wenn ihr dort seid, wandert, so wie wir es getan haben, und seid glücklich. Zeichne etwas Schönes, und lächle zum Himmel hinauf. Ich werde Dir zusehen, so wie immer.
Ich liebe Dich
Mami
Mattie presste den Ring an ihre Brust. Sie las die Worte ihrer Mutter noch einmal, dann steckte sie die Filmdose tief in ihre Tasche. Sie weinte nicht. Stattdessen betrachtete sie den Ring, stellte sich vor, wie ihre Urgroßmutter weiße Sterne malte. »Vielleicht, Papa«, sagte sie, »male ich so gerne, weil meine Urgroßmutter das auch getan hat.«
Ian nickte. »Ich schätze, das Zeichnen … es geht einem ins Blut und bleibt dort. Und ihr Blut ist in deinem Blut.«
»Könntest du mir diesen Ring auf eine Kette ziehen, damit ich ihn um den Hals trage kann?«
»Sicher, Schatz. Das mache ich, wenn wir wieder in New York sind. Du kannst ihn tragen, und wir gehen in ein schickes Restaurant.«
»Danke, Papa.«
»Keine Ursache.«
»Machst du jetzt deine Dose auf?«
»Möchtest du, dass ich das mache?«
»Ich glaube, das solltest du. Bevor wir landen.«
Ian blickte aus dem Fenster auf den Himalaya hinunter, sah aber nur Wolken. Er seufzte, sein Magen schmerzte, und sein Herz schlug schneller. Er überlegte, ob er eine Magentablette nehmen sollte, doch stattdessen öffnete er die Dose und entrollte das aufgerollte Blatt darin.
Mein Liebster,
dann seid ihr jetzt also in Kathmandu. Erinnerst Du Dich, wie wir über den Pass gewandert sind? Wir waren so müde, so erledigt. Wir konnten kaum noch atmen. Aber der Himalaya baute einen Ring aus weißen Schlössern um uns herum. Wir waren allein und auf dem Dach der Welt. Wie viel Glück wir hatten.
Ich sorge mich so um euch, Ian. Ich sorge mich um Mattie, weil ich weiß, wie sehr sie leiden muss. Und ich kann ihr nicht helfen. Ich möchte sie daran erinnern, wie viel Glück sie hat, an das Geschenk, das Du für sie bist. Aber das kann ich nicht. Wirst Du das also für mich tun? Lass sie wissen, dass sie nicht allein ist, nicht in ihrem Leiden, nicht in ihrer Sehnsucht. Vielleicht ist es gut für sie, die Armen in Kathmandu zu sehen. Vielleicht kann sie von der kollektiven Existenzangst lernen, die ein Teil der menschlichen Erfahrung ist. Ich weiß es nicht. Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie so hilflos gefühlt. Wenn man sterben muss, dann ist das, als würde man mit verbundenen Augen durch ein Labyrinth laufen. Es ist überwältigend. Aber es tröstet mich ein wenig, dass ihr diese Reise zusammen machen werdet und dass sie euch einander näher bringen wird. Sie liebt Dich so sehr, Ian. Sie will dich stolz machen. Denk daran, ihr zu sagen, was Du empfindest.
Ich wünschte, ich könnte diese wundervollen Berge noch einmal mit euch besuchen. Manchmal, Ian, manchmal vergisst Du die Schönheit, die um Dich herum ist. Ich musste sie Dir zeigen, was eine der größten Freuden meines Lebens war. Aber jetzt darfst Du das nicht vergessen, weil ich nicht mehr da sein werde. Und Du musst die Schönheit sehen, die noch in der Welt ist – die Schönheit des Himalaya, die Schönheit, die Mattie mit ihren Stiften erschafft, der Leute, die ihr in der Zukunft kennenlernt. Also bitte, geh und entdecke etwas Schönes.
Hier noch ein paar Worte, die ich Dir mitgeben möchte:
An Deiner Seite
An Deiner Seite
Habe ich Musik gehört, die meine Seele berührte,
Dinge gesehen, die für die Augen der Götter gemacht waren,
Dich berührt und gewusst, dass meine Einsamkeit vorbei ist.
An Deiner Seite
Habe ich gelacht.
Und geweint.
Ich habe geblutet und geliebt und geträumt.
Ich habe tausend Leben gelebt,
jedes davon so wertvoll wie ein Kinderlächeln,
so ergreifend wie meine frühesten Erinnerungen.
Weißt Du, mein Liebster, was ich jetzt empfinde,
während meine nächste Reise näherrückt?
Ich empfinde Schmerz und Trauer.
Ich empfinde Bedauern.
Ich werde gequält von den Echos der vielen unbereisten Straßen.
Aber ich würde dieses Leiden nicht eintauschen,
wenn es bedeutet, dass ich Dich dann niemals
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