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Ich bin an deiner Seite

Ich bin an deiner Seite

Titel: Ich bin an deiner Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Shors
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fahren wollte, hatte ihr Ärger nicht angehalten. Sie hatten beschlossen, die Reise fortzuführen, und beide auf ihre Weise Zugeständnisse gemacht. Mattie hatte sich Mühe gegeben, nicht über ihr Knie zu klagen. Sie wollte nicht, dass er sich Sorgen um sie machte, da sie verstand, dass ihre Gefühle oft die seinen diktierten. Wenn sie dalag und weinte, weil ihr Knie schmerzte, dann würde es ihm genauso schlecht gehen.
    Und obwohl ein Teil von Ian glaubte, dass die Reise zu schwer für Mattie war, verstand er, warum sie sie machen wollte, warum sie sie machen musste. Seine Bedenken verschwanden jedoch nicht mit dem Regen. Er hatte das Gefühl, als würde Kate ihn weiter an der Hand führen, und er mochte es nicht, in eine Richtung gedrängt zu werden, in die er nicht gehen wollte. Zum ersten Mal seit ihrem Tod war ein voller Tag vergangen, ohne dass er ihr Bild angesehen hatte.
    Die Anstrengung, seine Gefühle zu kontrollieren, machte Ian zu schaffen, obwohl er so tat, als wäre alles in Ordnung. Mattie beobachtete ihn genau, und er konnte nicht zulassen, dass sie ihm seine Verzweiflung ansah. Seinen Frust, die Verbitterung und die Trauer musste er hinter einer fröhlichen Fassade verstecken und tief in sich vergraben. Wenn Mattie merkte, wie nah er einem Zusammenbruch war, würde das die wenigen Fortschritte, die sie in den vergangenen Monaten gemacht hatte, sofort zunichtemachen.
    Ian erinnerte sich an eine Unterhaltung mit Kate einen Tag vor ihrem Tod, darüber, wie es sein würde, Mattie allein großzuziehen. Er hatte Angst davor gehabt, und das hatte er Kate auch gesagt. Was, wenn er Mattie keine Freude und Hoffnung geben konnte? Was, wenn er versagte, so wie er bei Kate versagt hatte? Er hatte so hart gearbeitet, um seine Familie zu versorgen, ihnen mit seinen langen Abenden im Büro jedoch nur wehgetan. Wäre er öfter da gewesen, dann hätte er Kate eine größere Hilfe sein können; vielleicht wäre sie dann nicht krank geworden. Und vielleicht hätte er Kate, wie Mattie glaubte, nicht dazu drängen sollen zu kämpfen. Er hatte geglaubt, sie könnte die Krankheit besiegen, dass sie stark genug war, bis zum Ende zu kämpfen. Seine Liebe zu ihr hatte ihn dazu gebracht, sie unter Druck zu setzen, aber seine Liebe hatte ihn in die Irre geführt, weil sie auf ihn gehört hatte und viel mehr Schmerzen ertragen musste als nötig und trotzdem gestorben war. Er hatte sie im Stich gelassen, als sie ihn am meisten brauchte, als er dafür hätte sorgen können, dass sie es bequem hatte. Und wegen dieses Versagens wollte er Mattie nicht dazu drängen, Berge zu besteigen oder ein Ass in der Schule zu sein oder jemand, der sie nicht war. Er wollte einfach nur, dass sie zufrieden war, wenn das irgendwie möglich war.
    Jetzt, da Ian und Mattie langsam auf einen Berg stiegen, der so üppig begrünt war, dass er direkt aus Tolkiens Herr der Ringe hätte stammen können, folgte er ihr über einen schmalen Weg und betrachtete die Blumen in der Nähe und der Ferne. Schwertlilien, Orchideen und Magnolien dominierten die unbewirtschafteten Schneisen des Tals. Herden von Yaks und Weizenfelder lagen ebenfalls im Schatten des Himalayas. Die Weizenfelder waren hellgrün und schienen im Sonnenlicht zu glänzen. Bambuszäune umgaben die Felder, die vom Boden des Tals bis zum Fuß der Berge flossen. Am Berg selbst war das Land in Terrassen unterteilt, und die Felder reichten mehrere Hundert Meter hoch, bis der Himalaya zu steil wurde, um das Land zu bestellen. Die Berge waren so üppig grün wie die Felder, jedoch viel dunkler. Ian versuchte, die Gipfel mit der Skyline zu Hause zu vergleichen, doch ihm wurde klar, dass ein solcher Vergleich grundsätzlich falsch war. Die Berge waren viel, viel höher als alles, was Manhattan zu bieten hatte.
    Ian senkte den Blick und schaute zu Mattie hinunter. Sie trug eine Jeans und ein violettes T-Shirt mit einem Smiley-Face darauf. Ihr Haar war zu langen, ziemlich ordentlichen Zöpfen geflochten, ein Produkt seiner Entschlossenheit. Sie schien sich ohne Schmerzen zu bewegen, und das freute ihn sehr. »Weißt du, Ru«, sagte er. »Ich streite mich nicht gerne mit dir.«
    Matties Wanderstock stockte kurz mitten in der Bewegung. »Ich weiß, Papa.«
    »Und wenn wir uns streiten, dann nicht, weil ich dich ärgern will. Ich versuche, das zu tun, was das Beste für dich ist.«
    »Diese Reise ist das Beste für mich.«
    »Warum? Warum sagst du das? Was, wenn einer von uns sich verletzt oder krank

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