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Ich bin an deiner Seite

Ich bin an deiner Seite

Titel: Ich bin an deiner Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Shors
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verteilte.
    Ian winkte dem kleiner werdenden Boot mit seiner freien Hand, und Mattie winkte mit ihm. Der Fußball wurde wieder auf den Sand geworfen. Das Spiel ging weiter. Aber Ian stand reglos mit Mattie da, hielt ihre Hand und sah, wie das Boot und das Mädchen in der fallenden Dunkelheit verschwanden, in eine Welt ohne Licht, aber nicht ohne Hoffnung.
***
    Kate sah ihn von ihrem Bett aus an. Ihre Augen, früher so blau und strahlend, waren blutunterlaufen und wässrig. Er erkannte sie nicht mehr und konnte nicht verstehen, wieso sie sich so verändert hatten. Das waren nicht die Augen seiner Frau, der Frau, in die er sich verliebt hatte. Nein, die Augen, in die er jetzt sah, gehörten einer Fremden, jemandem, der durch eine Wüste gewandert und schließlich im Schatten zusammengebrochen war.
    Mit ihrem Körper war es genauso wie mit ihren Augen. Sie war früher stark und athletisch gewesen. An ihren Beinen und Armen, definiert von dezenten Muskeln, war kaum Fett gewesen. Jetzt wirkten sie vertrocknet, wie Früchte, die man zu lange am Baum gelassen hatte. Ihre Haut war faltig durch den Gewichtsverlust. Ihre Beine und Arme sahen aus wie die einer alten Frau. Selbst ihre Haare wirkten alt, fielen von ihrem sterbenden Körper ab, bedeckten das Kissen und die Decke.
    Nur ihr Verstand schien noch intakt. Ihre Erinnerungen waren ihr geblieben, genauso wie ihre Fähigkeit, sich unter fast allen Umständen zu konzentrieren. Manchmal kämpfte sie nicht so gegen ihre Krankheit, wie er es gerne wollte, aber diese Veränderung war erst ganz am Ende gekommen, als sie so erschöpft war, dass nicht einmal der Gedanke an ihre Tochter sie dazu bringen konnte, weiterzukämpfen.
    Ian beugte sich vor und küsste eine Sommersprosse auf ihrer Wange, genau die gleiche Art von Sommersprosse, die Mattie geerbt hatte. Kate wollte lächeln, aber ihre Lippen schienen dafür keine Kraft mehr zu haben. Als Ian sah, dass sie zu lächeln versuchte und es nicht schaffte, fing er wieder an zu weinen. Ganz egal, wie sehr er sie liebte, wie stark das Band zwischen ihnen war, sie wurde ihm genommen, und er konnte nichts dagegen tun. Er war völlig hilflos, ohne Hoffnung. Obwohl sie diejenige war, die starb, zerfiel auch er zu Staub. Wenn sie fort war, das wusste er, dann würde auch ein Teil von ihm fehlen. Man konnte seiner Welt nicht alle Farbe nehmen und erwarten, dass sie nachher noch genauso aussah.
    »Wenn … ich nicht mehr da bin«, sagte sie, und Tränen quollen unter ihren langen Wimpern hervor, »dann gib all deine Liebe ihr.«
    Er fühlte sich schwach, als wäre er ein Rennen gelaufen, für das er nicht trainiert hatte. Er nickte und wandte sich zu Mattie um, die auf einer Couch in der Nähe schlief. Es war fast Mitternacht, und Mattie waren vor einer Stunde endlich die Augen zugefallen. Sie hatte sich in Kates Armen in den Schlaf geweint, und Ian hatte sie später zur Couch getragen. Es hatte ihm so schrecklich wehgetan, sie von ihrer Mutter wegzunehmen, weil er wusste, dass ihre Mutter ihr bald genommen werden würde und dass sie mit nur einem Elternteil aufwachsen musste, dem Elternteil, den sie weniger liebte.
    »Ich glaube … ich glaube, ich sterbe«, sagte Kate, und ihre Stimme war schwächer als ein Flüstern.
    »Nein, mein Schatz. Sag das nicht. Bitte, sag das nicht.«
    »Ich kann … meine Augen nicht öffnen. Und ich kann … kaum sprechen.«
    »Das stimmt nicht«, stammelte er. »Das kann nicht stimmen. Du bist einfach müde.«
    »Ich kann nichts mehr spüren.«
    Seine Tränen fielen auf ihr Gesicht, und er wischte sie vorsichtig ab. »Die Medizin … sie ist einfach zu stark. Deshalb kannst du nichts spüren.«
    »Ich sterbe.«
    »Nein, das tust du nicht. Das ist unmöglich.«
    »Ich liebe dich.«
    Er fing an, zu schnell zu atmen, das Zimmer begann sich zu drehen, und seine Gedanken und sein Blick verschwammen. »Ich hole den Arzt.«
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Ich möchte … dass du glücklich bist.«
    »Das kann ich nicht.«
    Sie runzelte die Stirn, während Tränen über ihre Wangen liefen. »Das musst du aber. Für Mattie. Für dich.«
    »Bitte, geh nicht.«
    »Versprich mir … dass du sie glücklich machst. Ganz egal, was passiert. Versprich es mir, Ian. Bitte.«
    »Ich kann dir das nicht ver …«
    »Bitte.«
    Er nickte und legte seine Stirn an ihre Brust. »Ich verspreche es.«
    »Sie war … schon viel zu lange traurig.« Kate hielt inne und versuchte, ihre Lungen mit Luft zu füllen, stark zu sein für ihre Familie.

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