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Ich bin da noch mal hin

Ich bin da noch mal hin

Titel: Ich bin da noch mal hin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Butterfield
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Santiago?«
    »Nein. Das Pferd hat neue Hufeisen gebraucht. Sechs Tage saß ich deswegen in Burgos fest!«
    Das Pferd? Mara nannte es nie bei seinem Namen.
    »Hast du eine Herberge gefunden, die dich für sechs Tage aufgenommen hat?«
    »Nein. Ich habe neben dem Pferd im Gras geschlafen.«
    Ich mache ein Foto von Mara und dem Pferd , aber nicht, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen.
    »Scheiße! Ich hasse diese Hitze!«, grummelt sie, während wir über Kuhfladen hinweg zum Bauernhof stapfen. »In dieser Hitze oder bergauf kann ich nicht auf dem Pferd reiten.«
    Hatte ich mir bloß eingebildet, dass das Pferd Secret hieß? Oder hatte ich Mara in Navarrete missverstanden und sie hatte gesagt, sein Name sei ein Geheimnis?
    Die doppelte Dosis Koffein in meinem cortado führt zwar nicht dazu, dass ich in dem hübschen A Escuela eine Vision habe, aber brauche ich denn eine? Ich kann mich an keinen derart unterhaltsamen und abwechslungsreichen Vormittag in León erinnern – denn auch wenn die Hügel dagegen sprechen, befinden wir uns immer noch in León, bis wir Laguna de Castilla verlassen. Dann betreten wir eine neue Provinz, Lugo, in der Region Galicien, und können den spanischen Ebenen endgültig Adieu sagen.
    An der Straße nach O Cebreiro blühen gelbe Schafgarben in Reih und Glied wie eine Ehrenformation. Eine halbe Stunde später stehe ich auf der kuppelförmigen Wiese oberhalb des winzigen galicischen Dorfes. Fünf Minuten später stemple ich in der Kirche Santa María la Real den sello in meinen 2010er-Lozano, weil das Bild der Kirche und der vier strohgedeckten Hütten für mein credencial zu groß ist. Die für eine Siedlung von nur zwanzig Häusern unangemessene Größe muss wohl bedeuten, dass O Cebreiro für den Camino sehr wichtig ist. Hier sind seit 1072 Pilger eingekehrt, denn damals gewährte Alfons VI. den französischen Mönchen aus Aurillac das Recht, sie im Kloster- hospital aufzunehmen. Ich habe nicht vor, dort heuteselbst zu übernachten, aber in der Kirche habe ich etwas zu erledigen.
    »Entschuldigen Sie bitte, darf ich die Heilige Jungfrau fotografieren?«, frage ich die Pförtnerin, die eifrig dabei ist, Faltblätter mit einem Gummiband zu bündeln.
    »Sí«, antwortet sie und ringt nun mit dem Stempelkissen.
    Die junge Frau scheint meine Frage nicht besonders zu überraschen. Immerhin hat die romanische Statue der Santa María la Real einmal mit dem Kopf genickt, als sich Brot und Wein vor den ungläubigen Augen des Priesters in Christi Fleisch und Blut verwandelten. Das »Wunder von Cebreiro«, ausgelöst durch den Glauben eines Bauern im 14. Jahrhundert, der sich durch einen Schneesturm zur Messe kämpfte, ist nicht die einzige Gelegenheit, bei der die Statue sich bewegt hat. Vor neun Jahren stand ich vor Santa María mit ihrem kleinen Jesus auf den Knien und rief durch die ganze Kirche nach Hans …
    »Hans! Hans! Oh mein Gott! Schau! Komm her!«
    Er ist bei mir wie der Blitz.
    »Anne! Was ist los? Was ist passiert?«
    »Schau, Hans. Schau dir das Jesuskind an. Schau ihn an.«
    Beide starren wir hinauf zu der kleinen rechten Hand, mit der Jesus uns mit jener bekannten Pfadfindergeste grüßt.
    »Was denn? Ich sehe nichts.«
    »Das Jesuskind, Hans. Er winkt mir zu. Schau!«
    »Ach, Anne, hör auf! Er rührt sich überhaupt nicht.«
    »Ja, jetzt hat er aufgehört. Ich fürchte, du hast es verpasst.«
    »Du bist verrückt! Ich dachte, dir ist was passiert!«
    »Stimmt ja auch, Hans – ein Wunder! Ein Camino-Wunder.«
    Das ist das Problem mit ihm – es fehlt ihm einfach der Glaube.
    »Es ist nämlich so«, erkläre ich der Pförtnerin, »dass ich vor neun Jahren mit einem deutschen Freund hier war. Er hat in seinem Buch über den Camino auch über die Jungfrau und mich geschrieben. Darum würde ich Sie bitten, mich neben der Jungfrau zu fotografieren.«
    »Als Andenken für Sie?«
    »Ja, bitte. Als Andenken.«
    »Natürlich. Deutsch, sagen Sie? Ihr Freund hat dieses deutsche Buch geschrieben?«
    »Ja. Hans. Hans-Peter Kerkeling. Kennen Sie das Buch?«
    »Ja. Das gibt es auch auf Spanisch, glaube ich. Warten Sie bei der Statue, ich komme gleich.«
    Doch sie kommt nicht. Fünf Minuten stehe ich unter der reglosen Santa María mit ihrem Jesuskind, bis zwei Italienerinnen mich ansprechen.
    »Sind Sie die Frau, die ein Foto möchte?«
    »Ja, das bin ich. Woher wissen Sie das?«
    »Die Pförtnerin hat es uns erzählt«, sagt sie und nimmt mir die Kamera aus der ausgestreckten Hand.
    »Wieso? Wo ist

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