Ich bin da noch mal hin
Hut fest, damit ein imaginärer Sturmwind ihn nicht davonweht, während ich meinen abnehmen muss, um ein bisschen kaltes Wasser über meinen heißen Kopf träufeln zu können. Was für ein Glück ich habe – müsste ich diese Etappe bei dem Wind, Regen und Nebel marschieren wie 2001, als Hans und ich uns an der Statue festhielten, um nicht umgeweht zu werden, dann bekäme ich sicher wieder einen Wutanfall. Und es wäre mir egal, ob mich jemand dabei sieht oder nicht.
Denk an das Gute! Du hast so ein Glück! Dieser Gedanke treibt mich durch die Wiesen mit den Heuballen voran, vorbei an pinkfarbenen Lichtnelken und blauen Iris. Am Scheitelpunkt eines zweiten steilen, felsigen Abschnitts nach Alto del Poio auf 1337 Meter erklärt eine alte Frau in der kühlen Posada del Peregrino zwei Beamten der Guardia Civil am Tresen, dass es bis Fonfría nur noch drei Kilometer sind. Ich weiß nicht, warum sie die Auskunft den beiden erteilt, denn die Frage habe ich gestellt.
Farnkraut und Fingerhut entlang des Lehmpfads verbergen die Straße nach Sarria, nicht aber die in Olivtönen geschichteten Hügel dahinter, die unter dem blauen Himmel von Lugoliegen. Der Pfad verläuft durch einen Bauernhof mit einer buckligen Wiese, auf der Wäsche an der Leine hängt. Ein roter Verkaufsautomat und Picknicktische reißen mich aus meiner Lethargie. Das ist kein Bauernhof, das ist Fonfría. Und dieses Bauernhaus ist die Albergue a Reboleira. Hinter dem geschwungenen Tresen der Herberge lümmeln sich meine Freunde aus Ruitelán in Sesseln und lesen Zeitschriften. Eine ganze Seite des Raumes ist verglast und zeigt die Landschaft bis zum letzten Strahl Tageslicht. Es wirkt fast wie ein teures Schweizer Hotel. Elli, Ricardo und Francesca applaudieren und lachen, als sei meine späte, rotgesichtige und schweißüberströmte Ankunft irgendwie witzig.
»Juhu! Da bist du ja! Wo warst du denn?«, kreischt das fröhliche Trio. »Es ist ja schon so spät!«
»Ich wurde in O Cebreiro aufgehalten. Ihr werdet es nicht glauben – La Voz de Galicia hat mich interviewt!«
»Was? Wieso?«, rufen sie, klatschen noch wilder und lachen jetzt fast hysterisch.
»Erst suche ich mir ein Bett aus«, sage ich und lasse meine Stiefel zu Boden fallen. »Dann erzähle ich euch alles …«
Samstag, 10. Juli 2010
Ich wandere 8,7 Kilometer von Fonfría nach Triacastela
La Voz de Galicia
Galicien
La Voz in O Cebreiro
Ohne es zu wissen, wurde sie berühmt
Anne entdeckte, dass ein deutscher Komiker sie in seinem Buch über den Camino erwähnt hat, und wird jetzt »wie Beckham behandelt«
Patricia Blanco, 9.7.2010
Alles begann vor neun Jahren. Anne Butterfield, Engländerin, wohnhaft in Liverpool, geboren in Leeds, und Hans-Peter Kerkeling, ein berühmter deutscher Fernsehmoderator und Komiker, begaben sich in Saint-Jean-Pied-de-Port auf den Camino. Sie gingen getrennt, parallel, ohne einander zu kennen. »Wir machten die gleiche Route, trafen uns aber in Logroño zum ersten Mal. Später, ab El Acebo, gingen wir dann zusammen«, erklärte Anne gestern in der Kirche Santa María la Real in O Cebreiro.
»Wir wurden sehr gute Freunde, ohne dass ich wusste, wer er war. Ich hielt ihn für einen ganz gewöhnlichen Mann, mit dem ich reden konnte und viele Ansichten teilte. Wir hatten auch einen ähnlichen Humor«, erinnert sie sich. Aber irgendetwas war trotzdem seltsam, besonders, dass ihr Freund von so vielen anderen Wanderern erkannt wurde.
»In Rabanal aßen wir zusammen zu Abend. Als ich von der Toilette kam, sah ich ihn für irgendwen irgendwas schreiben, und da sagte ich: ›Jetzt reicht’s! Sag mir, wer du bist!‹ ›Ich heiße Hans-Peter Kerkeling‹, antwortete er, ›aber in meinem Land bin ich ein berühmter Komiker, bekannt als Hape, und habe eine eigene Fernsehshow.‹« Jetzt verstand Anne endlich, warum zum Beispiel in La Faba Scharen von Deutschen den Komiker umringt und um Autogramme und Fotos gebeten hatten.
Die beiden wanderten zusammen mit Shelagh, einer neuseeländischen Pilgerin, nach Santiago. Anne blieb mit Kerkeling in Kontakt und erfuhr so, dass er über seine Erfahrungen auf dem Jakobsweg ein Buch veröffentlicht hatte: »Ich bin dann mal weg«. Das Buch ist unter dem Titel »Bueno, me largo« auch auf Spanisch erhältlich.
Was sie nicht wusste, war, welche Rolle sie in dem Werk spielt, einer »Weltsensation« (fast vier Millionen verkaufte Exemplare).
Nun geht sie den Camino zum zweiten Mal und wird häufig von Deutschen
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