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Ich bin da noch mal hin

Ich bin da noch mal hin

Titel: Ich bin da noch mal hin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Butterfield
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nonverbal zu kommunizieren, sind mir immer ein Rätsel geblieben. Dass ich ihn vermeintlich vor den Kopf gestoßen hatte, hätte eine der besten Freundschaften meines Lebens im Keim erstickt, wenn sich unsere Pfade, die der Kaffeesüchtigen, nicht wieder gekreuzt hätten.
    Die Leere auf der Plaza del Mercado spiegelt mir meine eigene Leere, also gehe ich lieber zurück zu den Portales, um mich unter die Abendspaziergänger zu mischen. Als plötzlichjemand meinen Namen ruft, mache ich einen Satz wie ein erschrockenes Kaninchen.
    »Hallo, Anne!«
    Es sind Barbara und Brigitte. Wie können sie schon in Logroño sein? Ich habe mich am Samstagmorgen in Cirauqui von ihnen verabschiedet, aber wenn sie zu Fuß unterwegs sind und ich mit dem Fahrrad und sie schon hier sind, müsste ich dann nicht längst in Burgos sein? Sie fragen, wie es mir geht, und ich kämpfe um eine schlüssige Erklärung.
    »Hallo«, stammle ich und suche nach einer Rechtfertigung für mein schleppendes Vorankommen. »Äh, ich musste in Arcos zwei Tage Pause einlegen, um mein Knie zu kurieren und meine Sachen zu trocknen.«
    Ich schäme mich so für mein erbärmliches Gejammer, dass ich am liebsten gar nichts sagen und mir einfach nur anhören würde, wie Barbara von der »ganz besonderen Erfahrung« erzählt, die der Aufenthalt in Villamayor de Monjarín für sie gewesen ist.
    »Hast du auch dort übernachtet?«, fragt sie.
    »Nein, nein. Leider nicht«, entgegne ich lächelnd und äußerst bemüht, fröhlich zu klingen. »Es lag zu weit abseits von der Straße, ich bin gleich nach Los Arcos durchgefahren.«
    Dann trennen sich unsere Wege, und ich gehe auf der Suche nach einem abgeschiedenen Ort, an dem ich klare Gedanken fassen kann, bis ans Ende des Casco Antiguo, der Altstadt. Im Café Parlamento an der Calle Barriocepo lehne ich mich an die glänzende Holztheke – so verwirrt von dem Gespräch mit Barbara und der Suche nach dem Ort, an dem Hans mich zum ersten Mal bemerkt hat, dass ich mein Getränk auf Deutsch bestelle.
    »Guten Abend. Was für ein Weißbier haben Sie, bitte?«, frage ich den Kellner, der das Schlüsselwort versteht und mir ein belgisches Bier einschenkt.
    Die Begegnung mit Barbara und Brigitte hat mich aufgewühlt. Nicht nur, dass ich wichtige Sehenswürdigkeiten des Camino verpasse, nein, ich komme nicht mal schneller voran als die Wanderer. Ich hieve mich auf einen hohen Hocker, nippe an meinem Weißbier und versuche meine Lage zu analysieren.
    Kann ich guten Gewissens behaupten, dass die heutige Etappe besser war als die vom Samstag? Die Tatsache, dass ich allein in dieser Bar sitze, spricht nicht dafür. Außer in Cirauqui hatte ich keine Begegnungen mit anderen Pilgern, obwohl ich heute wenigstens einige gesehen habe. Zwei Radfahrer und eine Horde Schulkinder saßen auf der Mauer vor der Heiliggrabkirche in Torres del Río. Die Wächterin der im Mudéjar-Stil erbauten Kirche kam heraus, um der kreischenden Schar zu verkünden, sie sollten entweder einen Euro bezahlen und hereinkommen oder die Schnäbel halten und endlich abziehen. Angesichts ihrer autoritären Art, die mich irgendwie an die ehemalige amerikanische Außenministerin Madeleine Albright erinnerte, überlegte ich noch einmal, ob ich wirklich hineingehen sollte, und versuchte, die Radfahrer als Gesellschaft zu gewinnen.
    »Geht ihr rein?«
    »Nein«, entgegneten die beiden, die Brot und Käse auf der Mauer ausgebreitet hatten.
    »Aber es kostet bloß einen Euro«, sagte ich, um Unterstützung für Madeleine Albright zu gewinnen.
    »Ja, aber wir kommen aus Portugal«, gaben sie zurück. Aha.
    Die Kirche mit dem achteckigen Grundriss hatte angeblich ihre von den Kreuzfahrern errichtete Namensvetterin in Jerusalem zum Vorbild. Ofelia (Madeleine Albright) wies auf das sternförmige Laternengewölbe hoch über unseren Köpfen hin, und auf den mittelalterlichen Jesus, der im goldenen Lendenschurz am Kreuz hing, offenbar schlafend. Sie schlug ihren riesigen, reich bebilderten Führer auf und zeigte mir die Details einer Kreuzabnahme Jesu an einem Kapitell. Ich kaufte ihr eine muschelförmige Plakette ab, um meinen erfolgreichen Besuch einer Sehenswürdigkeit am Camino auch beweisen zu können. Sie ähnelt der Tätowierung, die ich mir in Madrid nach meinem ersten Camino machen ließ und die eher dem Markenzeichen von Shell gleicht als dem des heiligen Jakob. Nur wenige Auserwählte wissen von dem verunglückten Kunstwerk unter meiner linken Socke, doch wenn man

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