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Ich bin da noch mal hin

Ich bin da noch mal hin

Titel: Ich bin da noch mal hin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Butterfield
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bedenkt, an wie vielen Tankstellen ich diese Woche vorbeigekommen bin, ist es letztendlich doch das perfekte Souvenir.
    Ich spüle mit dem Weißbier noch zwei Entzündungshemmer runter, frage mich aber, was das eigentlich bringt. Die stechenden Schmerzen in meinem Knie, die sich bei jeder Pedalumdrehung bemerkbar machen, haben den ganzen Tag über nicht nachgelassen. Beim ersten kurvenreichen Anstieg hinter Torres del Río bin ich zusammengezuckt, als ich versuchte, zwei wandernde Pilger zu erwischen, deren Pfad durch die Weizenfelder verlief und an der Kuppe auf meine Straße traf. In der letzten Kurve, bevor ich sie eingeholt hatte, überquerten sie vor meinen Augen die Straße und verschwanden in den Feldern hinter der gelben, steinernen Einsiedelei Santa María del Poyo. Die Tür war verriegelt, also habe ich auch die wunderbare Statue der Muttergottes nicht zu Gesicht bekommen, die hier vor fünf Jahrhunderten erschienen sein soll.
    Die Plaza de los Fueros hoch oben in der reizenden Altstadt von Viana, die ich dann schließlich erreichte, lag vor mir wie ein Traum. Ich erkannte sie sofort als den Platz, an dem 2001 ein junger Kanadier, der in der Tür des Cafés San Juan lehnte, mir von seiner Arbeit erzählte.
    »Was arbeitest du?«, hatte ich gefragt.
    »Ich bin Schriftsteller.«
    »Hast du etwas veröffentlicht? Etwas, das ich kenne?«
    »Na ja, mein erster Roman heißt ›Selbst‹, und dann gibt es noch eine Sammlung von Kurzgeschichten, ›Die Hintergründe zu den Helsinki-Roccamatios‹. Hast du vielleicht schon einmal davon gehört?«
    Ich musste zugeben, dass dies nicht der Fall war, und wandte mich in der Hoffnung auf interessantere Themen der Zukunft zu.
    »Hast du etwas in Vorbereitung?«
    »Allerdings. Mein nächster Roman, ›Schiffbruch mit Tiger‹, erscheint nächstes Frühjahr in England. Halt Ausschau danach.«
    »Mache ich, versprochen. Wie heißt du?«
    »Yann Martel.«
    »Schiffbruch mit Tiger« gewann 2002 den hoch angesehenen Booker Prize.
    Heute stand Yann natürlich nicht auf dem Platz, dafür aber Sabine. Wie machen sie das bloß, diese Wanderer? Ich lehntemein Fahrrad an eine Bank und setzte mich zu ihr an den Tisch vor dem Café San Juan.
    »Hallo. Du siehst echt wie eine Profiradlerin aus, Anne«, bemerkte sie und zog gelassen an ihrer Zigarette.
    »Das soll ein Scherz sein, oder?«
    »Nein. Du siehst wirklich so aus, mit all den Klamotten und dem schön bepackten Fahrrad.«
    »Sabine, der Eindruck täuscht. Ich habe keine Ahnung von nichts.«
    Sie nahm mich auch dann noch nicht ernst, als ich ihr meine zusammengeschrumpelten Doc Martens zeigte.
    »Kauf dir einfach neue Schuhe«, riet sie. »Ich hatte eine schreckliche Blase von den alten Wanderstiefeln, also habe ich sie weggeworfen und die hier gekauft.«
    »Kommt eigentlich aus diesem Café jemals irgendwer raus?«
    »Nein, niemals!«, gab sie so trocken zurück, dass wir beide laut über unsere nicht zu leugnende Bedeutungslosigkeit im großen Weltzusammenhang lachen mussten.
    Sabines gute Laune ließ mich hoffen, dass der Camino auf mich schon bald die gleiche Wirkung haben würde. Aber sobald ich den Ort verlassen hatte und mich wieder auf der Straße befand, wurde ich grausam daran erinnert, dass ich mich nicht auf dem echten Camino befand. Ein überdimensionierter Geländewagenpanzer kreuzte beim Linksabbiegen meine Spur und verfehlte um Haaresbreite mein Vorderrad. Fünf Minuten später schwebte ich erneut in akuter Lebensgefahr, als die Straße ohne jede Vorwarnung in die Autobahn A 13 nach Logroño überging.
    Ein Zufahrtsweg zu einem Rastplatz rettete mich, und ein weiterer hilfsbereiter Rastplatzarbeiter wies mir schließlich den richtigen Weg. Ein rot gepflastertes Sträßchen, endlich der echte Camino, wand sich durch die funkelnden Weingärten von La Rioja, und sofort sah die ganze Welt schon viel freundlicher aus. Die Sonne schien. Sechs Pilger antworteten mir in amerikanischem Akzent, als ich sie nach dem Weg nach Logroño fragte. Ich ging lieber auf Nummer sicher, denn keinesfalls wollte ich in die falsche Richtung fahren und erneut in Pamplona landen.
    Das unverwechselbare und einzigartige Markenzeichen von Logroño sind nicht die über rötlichen und weißen Mietshäusern aufragenden Turmspitzen der Kathedrale, sondern Doña Felisas selbst geschaffener und unumgänglicher Kontrollpunkt. Der Tisch aus verblichenem und abblätterndem Holz stand wie damals neben dem Weg vor dem knorrigen Baum, der ihr Haus aufrecht

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