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Ich bin da noch mal hin

Ich bin da noch mal hin

Titel: Ich bin da noch mal hin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Butterfield
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kommt ihr?«
    »Aus Australien, aber wir leben in Neuseeland.«
    »Außer mir, ich bin aus Neuseeland«, wirft Steve ein.
    »Und außer mir, denn ich lebe in Australien«, fügt Cathy hinzu.
    »Alles klar«, entgegne ich. »Ich bin aus Leeds, aber ich wohne in Liverpool. Heute war ein guter Tag, an dem ich vielen Menschen begegnet bin. Seit meiner Abreise aus England war ich zu viel allein.«
    »Wie hast du denn das geschafft? Du wirkst nicht besonders schüchtern«, gibt Lynn treffsicher zu Bedenken.
    »Na ja, ich bin mit dem Fahrrad losgezogen. Aber ich musste es zurücklassen.«
    »Wo ist es?«
    »In Logroño. Nach einer Woche habe ich es nicht mehr ertragen.«
    »Eine Woche? Von wo bist du denn losgefahren?«
    »In Saint-Jean.«
    »Du bist über die Pyrenäen geradelt?«
    »Ja. Von Saint-Jean nach Roncesvalles und fast bis Pamplona, alles an einem Tag«, prahle ich.
    »Phantastisch!«, sagt Lynn erkennbar beeindruckt.
    »Toll«, sagt Steve. »Und wie war’s?«
    »Ganz okay eigentlich. Ich meine, körperlich ging es mir gut. Das Problem war, dass ich nicht auf dem richtigen Camino fuhr. Ich sah die ganzen Pilger auf dem Weg dahinziehen, aber ich traf nie jemanden, weil ich auf der Straße bleiben musste.«
    »Das bringt es nicht«, kommentiert Steve.
    Er hat es genau erfasst.
    »Das fand ich auch. Die meiste Zeit habe ich gebraucht, um die A 12 zu vermeiden, aber die anderen Straßen waren genauso gefährlich. Als ich in Logroño ankam, war ich dermaßen deprimiert, dass ich vor Blanca, der hospitalera , in Tränen ausbrach. Ich sagte zu ihr: ›Sollte ich nicht inzwischen alt genug sein, um keine so blöden Fehler zu machen?‹ Und wisst ihr, was sie entgegnet hat? ›Die einzigen Menschen, die nie Fehler machen, sind die, die überhaupt nichts tun.‹«
    »Eine weise Frau, diese Blanca«, meint Lynn, als ich Luft hole.
    »Das ist sie. Eine Heilige. Ein falsches Wort von ihr und ich wäre zusammengebrochen. Blanca kümmert sich um das Fahrrad und die ganze Ausrüstung. Seitdem bin ich zu Fuß unterwegs, und jetzt bin ich hier.«
    »Was für eine unglaubliche Geschichte, Anne!«, ruft Lynn.
    »Aber ich komme mir so blöd vor, auch jetzt noch. Ein Pilger, mit dem ich gestern in Hornillos gesprochen habe, hat mir gesagt, ich hätte es wissen müssen.«
    »Woher denn?«, wirft Steve schroff ein.
    »Du hast dich doch neu orientiert.«
    »Das haben drei Spanierinnen in Los Arcos auch gesagt«, erzähle ich. »Genau den Ausdruck haben sie benutzt, ›sich neu orientieren‹. Sie sagten, man komme nur so durchs Leben. Danach habe ich noch einen Tag auf dem Fahrrad ausgehalten.«
    »Und du hast die richtige Entscheidung getroffen. Fühlst du dich jetzt wohler?«, will Lynn wissen.
    »Und ob! Ich bin über Nacht vom Tiefpunkt auf meine normale Höhe zurückgekehrt. Es ist meine eigene Schuld. Diese Frau in Hornillos hatte recht, so ungern ich es zugebe. Ich warden Camino ja schon einmal gegangen und hatte geglaubt, mit dem Rad sei es leichter. Jetzt denke ich anders darüber.«
    »Du hast also deine Lektion gelernt. Das ist es doch, worum es beim Camino geht.«
    »Ja, aber sind diese Lektionen überhaupt übertragbar? Ich hoffe, dass ich mich noch daran erinnere, wenn ich nach Hause komme. Was habt ihr denn gelernt?«
    »Na ja, ich habe gelernt, für mich zu sorgen. Gestern hätte ich fast nicht mehr gekonnt«, erwidert Lynn. »Wir sind in Burgos losgegangen, und du weißt ja, wie heiß es am Nachmittag war! Ich hätte nicht weitergehen sollen, aber ich habe es trotzdem getan, obwohl mir ganz schlecht war. Wir haben es nach Hontanas geschafft, aber ich war nahe am Hitzschlag. Das mache ich nie mehr. Ist ja kein Wettrennen, oder?«
    Ich berichte ihnen nicht, was mir Marta heute Morgen eröffnet hat, obwohl ich Lynn gern sagen würde, wie viel mir unser Gespräch jetzt bedeutet. Die drei Kiwis (oder sind es Aussies?) sind so umgänglich, dass ich am liebsten ewig mit ihnen plaudern würde. Und sie sind ein bisschen älter als ich, sodass ich den Alterskomplex, der mich Marta der Marschiererin und in geringerem Maße auch dem schönen Dario gegenüber gehemmt hat, abschütteln kann. Da unterbricht uns hospitalero Christian, der um Hilfe bei der Zubereitung des Abendessens bittet. Die anderen gehen mit ihm, während ich zu meiner Schüssel zurückkehre, die seit einer Stunde im Gras liegt, und mich der weltlichen Aufgabe widme, meine Wäsche für den morgigen Tag zu waschen. Na, eigentlich die Wäsche, die ich jeden Tag

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