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Ich bin da noch mal hin

Ich bin da noch mal hin

Titel: Ich bin da noch mal hin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Butterfield
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›dumm und faul und wird nicht gewinnen‹. Wir MÜSSEN es ihm zeigen! Kath x«
    »Was? Frechheit! Unvergessen: Sein Foul im Finale des Europapokals 75. Leeds hätte Elfmeter bekommen müssen. Bayern hat gewonnen. ENGLAND VOR! Anne X«
    Ich mag mich vielleicht nicht mehr an Villasirga im Jahr 2001 oder seine Kirche erinnern, aber ich weiß noch genau, was am 28. Mai 1975 geschah. Siebzehn war ich damals und mit meinen Eltern in Paris im Prinzenparkstadion, wo sich im Endspiel des Europapokals Leeds United und Bayern München gegenüberstanden. Meine Mannschaft war von Anfang an Spielmacher, wurde aber um ein rechtmäßiges Tor betrogen. Franz Beckenbauer, der Kaiser, leistete sich ein übles Foul. Der Leeds-Stürmer Allan Clarke war schon fast im Fünfmeterraum und hatte den Ball so gut wie sicher im Netz, als ihm Beckenbauer von hinten in die Beine sprang. Clark, den Beckenbauer mit seiner Grätsche um den krönenden Abschluss seiner Karriere brachte, stürzte und schoss natürlich kein Tor. Nur die Hoffnung, Clarke würde dann eben einen Elfmeter schießen können, dämpfte meinen Zorn. Doch es gab keinen Elfmeter. Der Schiedsrichter ließ unerklärlicherweise weiterspielen. Beckenbauer entging seiner gerechten Strafe. Leeds stand unter Schock, und Bayern München drehte auf. Franz Roth und Gerd Müller schossen gegen Ende der zweiten Halbzeit zwei Tore für Bayern München und holten dem Verein den Pokal.
    Seit fünfunddreißig Jahren bin ich deswegen auf den Kaiser sauer. Verzeihen werde ich ihm nur, wenn er dieses schändliche Foul öffentlich zugibt und die persönliche Verantwortung dafür übernimmt, mir im zarten Alter von siebzehn Jahren das Herz gebrochen zu haben. Kath hat recht, wir müssen unbedingt beweisen, dass Beckenbauer danebenliegt. Dennoch hege ich Bedenken. So zweifelhaft Beckenbauers Künste als Verteidiger sind, ein Dummkopf ist er bestimmt nicht. Im Gegenteil, er ist ausgesprochen intelligent und talentiert. Immerhin hat er2006 ganz allein die Weltmeisterschaft in Deutschland organisiert. Und dieser Mann hat nun unsere Spieler als »faul und dumm« bezeichnet? Oder war es »dumm und faul«? Egal wie, es verunsichert mich. Hat der Kaiser am Ende recht? Wenn ich an das schwache Bild denke, das England gegen die USA und Algerien geboten hat, dann befürchte ich insgeheim das Schlimmste.
    In der Bar gegenüber meinem hostal sitzt nur ein einziger Gast, und im Fernseher läuft zu meinem Schrecken der Grand Prix in Valencia.
    »Entschuldigen Sie, zeigen Sie hier nicht das Spiel England gegen Deutschland um vier Uhr?«, frage ich den Kellner hinter dem Tresen.
    »Nein, dafür braucht man Kabel. Wir haben hier nur einen Antennenanschluss.«
    Das darf doch nicht wahr sein! Na schön, dann probiere ich es eben woanders. Die nächste Bar um die Ecke hat auch kein Kabelfernsehen. Auch nicht die gegenüber. Einst, im zwölften Jahrhundert, spielte Carrión de los Condes im politischen Leben der Tierra de Campos eine ebenso große Rolle wie Sahagún. Jetzt gibt es hier nicht einmal Kabelfernsehen. In Panik eile ich über den Platz, vorbei an der Kirche Santa María. Am Ende der Straße liegt die Bar España, dahinter geht es zum Getreidesilo. Nur noch eine Stunde bis zum Anpfiff und ich weiß nicht, wo ich das Spiel sehen kann!
    Den Tränen nahe komme ich in der Bar España an.
    »Con permiso« (Entschuldigung), frage ich ängstlich. »Zeigen Sie hier um vier Uhr England gegen Deutschland?«
    »In der WM?«, fragt der Wirt zurück und poliert ungerührt ein Bierglas.
    Hat er wirklich »In der WM?« gefragt? So wie jemand, dem Fußball nur über seine Leiche in die Kneipe kommt? Oder ist er bloß einer von den Übergenauen? Vielleicht treten England und Deutschland ja heute auch noch irgendwo im Schach gegeneinander an. Ich schaue zu den Fernsehern, die in verschiedenen Ecken aufgebaut sind und sehe, dass sie alle Formel 1 zeigen. An den Tresen geklammert mache ich mich darauf gefasst, Richtung Getreidesilo zu sprinten und per Anhalter nach Frómista zu fahren.
    »¡Sí!«, sagt er seelenruhig.
    »Aber es läuft Formel 1.«
    »¡Sí! Aber um vier schalten wir auf Fußball um.«
    »Ganz sicher?«
    »¡Sí!«
    »¡Oh, qué alegría! ¡Gracias!»
    Ich stürme aus der Bar Richtung Getreidesilo. Nicht um nach Frómista zu kommen, sondern um meine Freunde zu suchen. Schließlich macht es keinen Spaß, allein die WM zu schauen. Durch das Tor des Klosters Santa Clara sehe ich Steve, Lynn, Hilary und Cathy, die

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