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Ich bin da noch mal hin

Ich bin da noch mal hin

Titel: Ich bin da noch mal hin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Butterfield
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sich ihre credenciales stempeln lassen. Der heilige Franz von Assisi kam hier auf seiner Pilgerreise nach Santiago unter, doch heute ist kein Bett mehr frei.
    »Alles belegt«, sagt Steve.
    »Keine Sorge«, beruhige ich ihn. »Ich kenne ein prima Hotel. Mir nach!«
    Zum zweiten Mal innerhalb von vierundzwanzig Stunden finden wir uns genau im richtigen Moment wieder. Ich führe sie zur Rezeption meines hostal .
    »Kommt so schnell wie möglich zur Bar España. Ich gehe schon mal vor und sichere uns einen Tisch«, befehle ich.
    »Worauf du dich verlassen kannst!«, ruft Steve mir hinterher.
    Fünf Minuten vor dem Anpfiff kommen sie zu mir an den einzigen freien Tisch nahe der Tür. Das Lokal ist gesteckt voll mit Pilgern und drei Gruppen spanischer Kartenspieler. Steve steuert sofort den Tresen an und kommt mit Bier für uns alle zurück. Das Gesicht des blassen Neuseeländers ist ganz rot von der Sonne und der Anstrengung, Carríon rechtzeitig vor Spielbeginn zu erreichen.
    »Cheers!«, ruft er.
    »Cheers!«, stoße ich mit ihm an.
    Die Spieler stehen in Bloemfontein auf dem Platz. Wayne Rooney singt die Nationalhymne nicht mit. Kein guter Anfang. Ich singe sie zwar auch nicht mit, aber ich spiele ja auch nicht für England. Ich kann nur hoffen, dass er beim Spiel mehr Einsatz zeigt.
    »Wer gewinnt, was denkst du, Anne?«, fragt Lynn.
    »Tja, zu Hause sagen sie alle, wir gewinnen. Die deutschen Spieler sind zu jung und unerfahren, um uns zu schlagen«, erzähle ich ihr.
    »Wollen wir es hoffen!«, antwortet Lynn, die als Australierin mit der Commonwealth-Mannschaft fiebert.
    »England vor!«, feuert Elizabeth per SMS aus Yorkshire unsere Mannschaft an.
    »Dreißig Millionen Zuschauer in England!«, informiert mich Jane aus einer anderen Ecke von Yorkshire.
    »Bereit?«, will Hans von irgendwo in Deutschland wissen.
    »Bereit!«, antworte ich ihm aus Carrión de los Condes.
    Doch wie sich herausstellt, bin ich keineswegs bereit für das, was nun kommt.
    England führt den Anstoß aus. Nach einem glänzenden Start zeigt der Lack des englischen Spiels Risse und bald schon beginnt er, ganz abzublättern. Matthew Upson, einunddreißig Jahre, verliert ungeschickt den Ball an Mesut Özil mit der Nummer Einundzwanzig. Der unerfahrene Özil zieht mühelos an dem langsameren (aber sehr erfahrenen) Ashley Cole, neunundzwanzig, vorbei. Özil, noch lange nicht auf dem Zenit seiner Kräfte, trifft die Beine des englischen Torhüters David James, neununddreißig, der seine besten Zeiten wohl schon hinter sich hat. Die klügeren englischen Spieler sparen ihre Energie und begnügen sich im Mittelfeld mit kurzen, flachen Pässen. Wie ich sehe, haben wir keine Flügelstürmer. Offenbar gedenkt Trainer Fabio Capello Deutschland mit Englands berühmter Taktik aus dem Endspiel der WM 1966 zu schlagen. Das kann nicht gut gehen.
    Die raschen Ballverlängerungen, Heber und eleganten Bögen von Flügel zu Flügel der Deutschen verhalten sich zum holzigen Spiel der Engländer wie Mercedes zu einem Trabi. Lukas Podolski (Fünfundzwanzig) setzt erschreckend effektiv eine andere von England vernachlässigte Taktik ein – er stürmt mit dem Ball los ! Erst im Strafraum kann ihm unsere verunsicherte Abwehr den Ball abnehmen. Solche brillanten Einzelaktionen fehlen völlig im englischen Arsenal. Wir trotten starr und stur über den Platz, während die deutsche Mannschaft von ihrem ebenso jungen wie kühnen Trainer Joachim »Jogi« Löwdarauf getrimmt ist, wie eine Amöbe jede Form anzunehmen, in der sie die Engländer verschlingen können.
    Und England verschlingen, das ist es wohl, was die Deutschen vorhaben. Ich weiß nicht, was mir mehr Angst macht, Deutschlands Geistesgegenwart oder Englands Ungeschicklichkeit. Upson sieht ganz schön alt aus, als ihn der junge Thomas Müller mit einem gewagten Kopfball von der Mittellinie glatt umhaut. Zwanzig Minuten in der ersten Halbzeit sind gespielt, da knallt der deutsche Torwart Manuel Neuer (Vierundzwanzig) mit einem gewaltigen Schuss den Ball über die Köpfe von drei englischen Abwehrspielern hinweg, die viel zu nah an der Mittellinie stehen. Ist das etwa unsere Vorstellung von einer Abseitsfalle? So wird das nichts. John Terry (Neunundzwanzig) kann nur über die Schulter zuschauen, wie sich Upson neben dem gefährlichen Klose positioniert. Upson wirkt, als hätte er Klose noch nie in seinem Leben gesehen. Der Ball fällt aus dem Himmel, beide Spieler versuchen, ihn unter Verrenkungen zu erwischen.

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