Ich bin dann mal offline
Internetboykott keine einzige Spam-Mail mehr. Aber ich muss zugeben, dass es auch vorher schon nicht allzu viele waren -den fleißigen Tüftlern und ihren Spam-Filtern sei Dank! Auch hatte ich im letzten Jahr immer häufiger das Gefühl, dass die Viagra-und Diätpillenverkäufer sich einfach neue Vertriebskanäle jenseits der guten alten E-Mail gesucht haben. Wenn ich zum Beispiel das Programm Skype zum Telefonieren per Internet benutzte, bekam ich immer häufiger SpamBotschaften im Chatfenster des Programms zu sehen. Und wenn ich bei Twitter die Liste meiner Followe r19 ansah, entdeckte ich dort immer wieder üppige blonde Frauen mit anzüglichen Namen, die vorschlugen, ich solle doch mal auf ihrer Internetseite vorbeischauen, sie hätten dort so Bilder ... Die falschen Blondinen wurden zwar meist ebenso schnell wieder gelöscht wie unerwünschte Spam-Mails, aber auch bei den »Trending Topics«, also jenen Schlagwörtern, zu denen gerade besonders viel getwittert wird, musste ich mich immer häufiger durch einen Wust an sinnlosen Nachrichten kämpfen, in denen es nur um das eine ging: Klick mich!
Als eindeutig am schlimmsten habe ~ch jedoch Spam-Kommentare in Blogs, Diskussionsforen oder unter YoutubeVideos in Erinnerung. Manche Spammer gehen hier offensichtlicher vor (»Für heißen Parkplatz-Sex hier klicken«) manche deutlich subtiler (»Interessant! Ich habe mir zu diesem Thema 18 Laut einer Studie der Firma Gdata, die Antivirensoftware herstellt, entfallen dabei rund 200 Dollar auf die 20 Millionen Empfängeradressen. Der Rest falle für fünf Absender-Adressen und ein .. Selbstbau-Kit« an, mit dem man die riesigen Mail-Volumen verschicken kann.
19 Als .. FolIower« (zu deutsch Anhänger) bezeichnet man bei Twitter diejenigen Nutzer, die die Nachrichten eines anderen Nutzers abonniert haben. auch Gedanken gemacht -lesen Sie hier weiter ... «). Doch nicht nur beim Lesen nerven diese falschen und irrelevanten Beiträge -da sie meist nicht von Menschen, sondern von Computerprogrammen verfasst werden,muss man nun immer häufiger beweisen, dass man auch wirklich ein Mensch ist, bevor man auf einer Webseite einen Kommentar hinterlassen darf. Das führte wiederum dazu, dass ich vor meinem Selbstversuch immer häufiger mit zusammengekniffenen Augen und schiefgelegtem Kopf vor meinem Bildschirm saß -weil ich ein sogenanntes CAPTCHA 20 entziffern musste: jene verschnörkelten Zeichenkombinationen, die nicht maschinenlesbar sind und deshalb SpamRoboter aussieben sollen. Oft genug wird aber auch für Menschen die Entzifferung solcher CAPTCHAs zur Höllenqual.
Wie oft habe ich schon gegrübelt, ob eine türkis-grüne, durchgestrichene Schlangenlinie eine 1, ein kleines L oder ein großes I sein soll? Wie oft dachte ich schon, ich hätte es geschafft -nur um dann ein anderes, noch bunteres, noch verschwommeneres Kunstwerk vorgesetzt zu bekommen?
Angeblich wenden alle Internetnutzer der Welt jeden Tag zusammen 150000 Arbeitsstunden auf, um solche Aufgaben zu lösen -die letztlich nur durch von Robotern geschriebene Spams überhaupt nötig werden. Was für eine grauenhafte und dumme Verschwendung! Zu meiner großen Freude stieß ich irgendwann auf eine neue Generation von CAPTCHAs, die an der Carnegie-Mellon-Universität entwickelt wurde. Diese hilft nun immerhin, Bücher zu digitalisieren: Statt sinnloser Zeichenketten bek~mmt m~ zwei reale Wörter vorgesetzt, die beim automatischen Einscannen alter Zeitungen und Bücher nicht erkannt wurden. So bekommt all die zusätzliche Arbeit, die täglich wegen Spam geleistet werden muss, wenigstens ein winziges bisschen Sinn. Ganz verschwinden wird der Spam jedoch nie wieder, da bin ich sicher. Weder die Einträge und EMails im Internet noch· die lästigen Anrufe des »Glückscomputers« oder die zwei Dutzend Werbezettel für einen neuen Pizza-Lieferservice, die mindestens einmal pro Woche kreuz und quer durch unsere Hofeinfahrt geweht werden. Vielleicht bin ich aber auch streng -und es sind gar nicht alle Nachrichten, 'die ich für Spam halte, wirklich das Werk arglistiger Gauner. Vielleicht warten da draußen wirklich schon mehrere Erbschaften von in Autounfällen zu Tode gekommenen Diktatoren auf mich, die mir in E-Mails versprochen wurden? Vielleicht existiert der Diamant tatsächlich, den mir der Prinz aus Sierra Leone schicken will, sobald ich ihm 200 Euro »Unkostenbeitrag« überwiesen habe? Und vielleicht ist auch der Gewinn, den mir eineMail von »unserem
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