Ich bin dann mal offline
Smartphone Nexus One nun auch den Handymarkt erobern wollen, sei es von Apple, die mal wieder eine neue Version des iPhone herausbringen. Der Grund dafür, mehrere Handys zu nutzen, sei jedoch, dass ihm drei Telefone mit unterschiedlichen Nummern nicht mehr Stress bereiten, sondern weniger. »Ich habe eine öffentliche Nummer, die steht überall, jeder darf sie wissen«, erklärt er. »Das Telefon mit dieser Nummer stelle ich jedoch auch oft leise oder gehe nicht ran, wenn es klingelt. Ich nehme mir sogar die Freiheit, nicht unbedingt zurückzurufen, wenn jemand eine Nummer hinterlässt.« Nur weil er jemandem seine Telefonnummer gegeben hat, entsteht für Lobo daraus noch lange nicht die Verpflichtung, jederzeit sofort mit dieser Person kommunizieren zu wollen. Manchmal bekommt Lobo auf seiner öffentlichen Nummer auch Hassanrufe, aber das sind nur ein oder zwei pro Monat, sagt er, und selbst die seien meist eher »soziologisch interessant«. »Meine Privatnummer wiederum haben nicht mal 20 Leute -meine Familie, meine Freundin und ein paar ganz enge Freunde. Wenn ich also mein öffentliches Telefon leise stelle, bin ich viel weniger erreichbar als der durchschnittliche Handynutzer.«
Allzu häufig kappt Lobo seinen Draht zur Außenwelt allerdings nicht: »Ich schätze mal, ich bin zu 80
Prozent meiner wachen Zeit online -das ist mein Alltag. Im Netz erfahre ich Neuigkeiten, tausche mich privat und beruflich aus -es ist für mich der ideale Weg, um zu kommunizieren.« Die Frage, ob er keinerlei Gefahr einer Sucht oder Abhängigkeit sehe, stößt bei ihm auf wenig Verständnis: »Das ist in etwa so, als ob ich dich fragen würde, ob du schuhsüchtig bist -nur weil du 80 Prozent der Zeit, die du wach bist, Schuhe trägst. Denn natürlich bist du nicht schuhsüchtig, aber du hast gemerkt, dass es besser ist, als barfuß durch die Straßen zu laufen. Wenn ich online bin, kann ich das, was ich tue, besser tun. Es ist für mich ein Instrument.« Wie auch der Rabbiner Ehrenberg ist auch Sascha Lobo nicht um eine Metapher verlegen: »Ich unterscheide nicht zwischen online und offline. Das ist für mich wie die Frage, ob ich zuhause das Licht anschalte oder nicht. Es ist ein Unterschied -aber ich mache keine Religion draus. In manchen Momenten ist das eine sinnvoller und mal das andere.«
Mir fällt ein, wie ich Lobo zu Beginn meines Selbstversuchs schon einmal vor einigen Wochen anrief, um das Interview zu vereinbaren. Und obwohl ich ihm gerade .geschildert hatte, dass ich im Rahmen eines Experiments ohne Internetzugang und Handy leben würde, fragte er mich weni~e Sekunden später, ob ich die Fragen nicht per E-Mail schicken könne. Der Fairness halber muss ich jedoch hinzufügen, dass er seinen Fauxpas erstens relativ schnell bemerkte und zweitens nicht der einzige war, dem das passierte. Ich habe bestimmt ein Dutzend mal Sätze wie »Oh, das ist ja ein span-nendes Experiment, so ganz ohne Internet ... Ich hab da gestern ein ganz interessantes Interview gelesen ... Wart mal, ich schick Dir gleich Mal den Link!« gehört. Aber kann jemand wie Sascha Lobo, der sein ganzes Leben im Internet führt, überhaupt noch einen ganzen Tag offline sein? »Ich war über Weihnachten und Neujahr insgesamt vier Wochen in Indonesien unterwegs«, erzählt er. »Da gibt es viele Inseln, auf denen es gerade mal Strom gibt, aber kein Internet und keinen Handyempfang. Da war ich manchmal auch drei Tage am Stück offline -und bin trotzdem nicht verrückt geworden.« Aus einem Zeitungsinterview weiß ich, dass der scheinbar »gläserne Mensch« Sascha Lobo gar nicht so viel von sich preisgibt, wie man denken möchte, wenn man seine scheinbare Omnipräsenz im Netz betrachtet. Was man dort von ihm sähe, so gab er damals zu Protokoll, »ist ein bisschen unter 50 Prozent. Es scheint mehr, weil ich sehr umtriebig bin. Aber versuche mal herauszufinden, wie meine Freundin heißt.« So freigiebig Lobo mit seiner Handynummer oder seinem Aufenthaltsort umgeht -so wenig erfährt man im Internet über sein Privatleben: »Es gibt viel, das ich bewusst nicht ins Netz stelle. Das müssen die Jugendlichen auch lernen.«
Zusammen mit seinem Koautoren Holm Friebe hat Lobo vor einigen Jahren in dem Buch »Wir nennen es Arbeit« den Begriff der »Digitalen Boheme« geprägt. In einem Leben »jenseits der Festanstellung« gäbe es immer mehr Menschen, so die Beobachtung der beiden Autoren, die freiberuflich und selbstbestimmt in losen Bündnissen kollaborierten
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