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Ich bin dann mal offline

Ich bin dann mal offline

Titel: Ich bin dann mal offline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Koch
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ein statt die vielleicht viel aufrichtigeren
    »Mein Partner mit der kalten Schnauze« oder »Zwei Nasen tanken Super«.
    Nur einen Klick vom Seitensprung entfernt
    Neben der Frage »Wer passt zu mir?« kann man dem Internet aber noch eine weitere, durchaus teuflischere Frage stellen: »Was wurde eigentlich aus ... ?« Ob man nur bei Google nach der Ex-Freundin sucht oder sich bei Facebook mit dem ehemaligen Liebhaber Jahre später wieder anfreundet -die Tür in die Vergangenheit steht immer einen Spaltbreit offen. Man verliert sich nicht mehr einfach aus den Augen, wie es früher oft ganz automatisch der Fall war. Flirts, die Jahre her sind, lassen sich online unter Umständen. binnen Sekunden wieder aufwärmen. Zunächst scheinbar unverbindlich und unverfänglich, stets hinter einer Passwortwand verborgen vor den Blicken des aktuellen Partners. »Als Teenager oder in unseren frühen Zwanzigern knüpfen wir oft sehr intensive Freundschaften -auch wenn sie nicht immer lang" lebig sind«, schreibt Robin Dunbar, mit dem ich über die 150 Freunde sprach, in einem Aufsatz. »Auf den diversen Netzwerkseiten tauchen solche Freunde aus dieser glühenden und emotional turbulentesten Zeit unseres Lebens nun oft wieder auf -und nicht selten wird dabei auch eine alte Flamme wieder zum Leben erweckt, die unsere gegenwärtige Beziehung zerstören kann.«
    Ich kenne jemanden, der seine Ehe beinahe durch einen Internet-Flirt kaputtgemacht hätte -und heute noch darunter leidet. Als ich vor einiger Zeit mit dem New Yorker Literaturprofessor Joshua Gidding über sein Buch »Failure« sprach, in dem er vom Scheitern schreibt, erzählte er mir von dem Betrug an seiner Frau. Sie war einige Jahre vor unserem Gespräch an Krebs verstorben, und in den Jahren zuvor, während sie bereits erkrankt war, hatte er sie in regelmäßigen Online-Chats mit seiner Exfreundin -zumindest virtuell-betrogen. »Das ist die Sache in meinem Leben, für die ich mich am meisten schäme«, erzählt er mir in unserem Telefonat ganz ruhig und sachlich. »Ich war damals süchtig nach diesen kleinen täglichen Flirts -ich dachte sogar, sie stünden mir zu. Denn ich bemitleidete mich selbst stärker als meine kranke Frau.«
    Es gibt sicherlich unterschiedliche Meinungen darüber, wo Ehebruch beginnt und ob ein InternetChat ohne realen Körperkontakt schon als Fremdgehen zählen kann. Ich finde schon -vor allem, wenn einen das eigene schlechte Gewissen überführt. Oder wenn sich der Partner betrogen fühlt und einen bittet, die Sache zu beenden. Giddings Frau hat das getan -mehrfach und ohne Erfolg. Er selbst versucht gar nicht, sein Tun zu beschönigen: »Das Geheimnis einer Affäre -selbst einer rein >virtuellen< -war unwiderstehlich«, schreibt er in seinem Buch. »Ich erinnere mich noch an den Stromstoß, den mir der Gedanke an den Ehebruch versetzte: An den Schock der neuen Gefühle, die Kraft des Sexuellen, die in der Routine der Ehejahre langsam eingeschlummert war -und wie hilflos ich dieser Kraft ausgeliefert war.« Er erinnert sich sogar noch an den exakten Chat-Dialog, mit dem alles begann. Und daran, wie er in den kommenden Jahren nie mehr von den OnIine-Unterhaltungen mit seiner Ex lassen konnte: »Manchmal schaffte ich es, einige Monate durchzuhalten, ohne sie zu kontaktieren«, schreibt er. »Aber irgendwann wurden die Versuchung und das Hochgefühl, mit ihr per Instant Messenger zu kommunizieren, zu unwiderstehlich, die Glöckchen, die eine neue Nachricht von ihr ankündigten, zu verlockend.«
    Joshua Gidding sieht ein wenig aus wie ein gut gealterter Bill Murray. Er könnte einen gemütlichen Filmpsychiater spielen, dessen Leidenschaft das Segeln ist. Als ich ihn frage, wie schnell ihm seine Frau auf die Schliche gekommen ist, antwortet er: »Sehr bald. Sie merkte, dass ich ein anderer war, und fragte mich eines Abends beim Essen: >Na, wer ist es?<. Sie war sehr verletzt und bat mich, damit aufzuhören, den Kontakt einzustellen. Aber ich konnte nicht, obwohl ich es ihr immer wieder versprach. Erst ganz am Ende, kurz bevor Diane starb, brach ich den Kontakt zu meiner Ex ab da hatte mir meine Frau aber bereits vergeben. Was sehr großherzig war und meine Scham nur steigerte.«
    Natürlich wäre es Unsinn, zu behaupten, dass das Internet treue Ehemänner und Ehefrauen in gedankenlose Fremdgeher verwandelt, die alle moralischen Bedenken beim Hochfahren des Computers über Bord werfen. Das bestätigt auch die Diplom-Psychologin Christiane Eichenberg,

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