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Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Titel: Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hape Kerkeling
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falsches Handeln entspringt purem Egoismus, den ich mir auch nicht schönreden werde, denn das tun schon genügend andere Pilger. Also sage ich fest entschlossen zu Anne: »Den nächsten Hund nehme ich auf jeden Fall mit!«
    »Wetten, nicht!«, fordert sie mich spitzbübisch heraus.
    Am Cruz de Ferro, dem berühmten Eisenkreuz auf einem langen Eichenpfahl, der auf 1500 Höhenmetern steht, werfen Anne und ich ordnungsgemäß, wie es ein Pilger tun muss, einen von zu Hause mitgebrachten Stein ab. Tausende von Jahren ist diese Tradition angeblich schon alt. Man soll dadurch symbolisch seine Sorgen abwerfen. Einen Lapislazuli habe ich dem meterhohen Haufen geschenkt.
    Es ist ein erhebendes Gefühl, vor dem Gipfelkreuz auf dem Monte Irago zu stehen und zu wissen, aus eigener Kraft dort hingelaufen zu sein. Während Anne und ich in der einsamen Bergwelt schweigend auf das in der Sonne blitzende Kruzifix schauen, kommt neben uns auf der schmalen Bergstraße ein Passat mit Mettmanner Autokennzeichen zum Stehen. Ein Ehepaar steigt aus und stellt sich neben uns.
    Nachdem sie mich erkannt haben, fragt mich die Frau, ob ich tatsächlich hier heraufgelaufen sei? Wahrheitsgemäß bejahe ich, frage mich aber für einen Moment wirklich, ob ich es nicht gewesen bin, der mit dem Passat hier hergekommen ist? Die Dame bittet Anne, einen Schnappschuss von mir und sich zu machen, was Anne sehr irritiert tut. Die Herrschaften verschwinden schnell wieder und Anne fragt: »Warum wollte die denn ein Foto mit dir?« Ich erkläre ihr, dass die Dame eben ein Foto mit einem echten Pilger haben wollte. Die schlaue Anne glaubt das nicht so recht und sagt, dass die Dame sich ja ebenso gut mit ihr hätte fotografieren lassen können und dass sie fände, dass sich meine Landsleute in meiner Gegenwart ganz albern aufführen würden und dass es doch wohl noch einen anderen Grund dafür geben müsse?
    Ich habe aber einfach keine Lust, ihr heute zu erklären, was ich genau mache, und schweige wie das eiserne Kreuz. Über meinen Beruf möchte ich – auch wenn ich ihn wirklich heiß und innig liebe – erst mal kein Wort verlieren.
    Mir sind mit Menschen, die nicht aus dem deutschen Sprachraum kommen, schon ein paar echte Klöpse passiert. In Berlin war ich mal zu einer Theaterpremiere eingeladen und im Anschluss daran gab es ein kleines Bankett. Man hatte mich als einzigen Deutschen, warum auch immer, neben einigen Vertretern aus dem französischen Kultusministerium platziert. Mein Französisch ist ganz nett, aber für eine abendfüllende Konversation ist es dann doch etwas zu hölzern und simpel. Aber die französischen Funktionsträger sprechen nun mal nur ihre Muttersprache und so quäle ich mich tapfer über die frankophonen Runden. Die Staatssekretärin neben mir, das ist der Beruf, den ich zumindest aus ihrer langatmigen Erklärung mühsam herausinterpretiere, möchte meine Funktion gerne näher von mir beschrieben wissen. Und so sage ich: »Komiker!« Für die Dame scheine ich spontan nicht mehr der passende Umgang zu sein, denn sie meint arrogant: »So, so Komiker! Aber sehr berühmt können Sie ja nicht sein, sonst würde ich Sie ja kennen!« Das scheint der restliche Tisch auch »très amusant« zu finden. Mittlerweile habe ich einen fetten Fleischklops im Mund und spreche ungehemmt an ihm vorbei, denn die Dame neben mir hat ja schließlich auch kein Benehmen. »Welche deutschen Komiker kennen Sie denn?«, schmatze ich ihr ins Ohr. Die Dame holt Luft und atmet lang wieder aus. Sie kenne eigentlich nur einen deutschen Komiker, den Namen wisse sie leider nicht, aber der sei hervorragend und einfallsreich und bla bla bla. »Was hat der denn gemacht?«, will ich fast unverständlich kauend von ihr wissen. Sie plustert sich auf: »Das müssten Sie eigentlich wissen! Der ist in Frankreich sogar damit in den Nachrichten gewesen! Der hat die Königin von Holland gespielt!« Voilà, die redet von mir! Nicht ungeschmeichelt versichere ich ihr, dass heute ihr Glückstag sei, da sie den Gesuchten leibhaftig vor sich habe. Worauf sie sich prompt von mir abwendet und mich wie einen schlechten Hochstapler aus der westfälischen Provinz behandelt, der sich mit falschen, viel zu bunten Federn schmückt. Der Abend war überflüssig, auch wenn er mir eine nette Anekdote geliefert hat.
     
     
    Schweigt und sammelt Steine aus aller Welt: das Cruz de Ferro auf dem Monte Irago  
     
    Anne und ich starren andächtig auf das Kreuz und schweigen. Mein Gott, ich

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