Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg
Steinhaus. Dort angekommen, macht Anne vor dem Herbergsleiter einen ordentlichen spanischen Rabatz und ordnet wie der Corporal von Fort Knox an, den Südamerikaner ordnungsgemäß unterzubringen. Wütend aufzubrausen gelingt auch mir mittlerweile ganz gut, also nutze auch ich die Gelegenheit und lasse mal wieder auf Spanisch Dampf ab. Es schimpft sich herrlich in dieser Sprache, die mit Fauchlauten und kräftigen Rs nur so gespickt ist.
Der Herbergsvater gibt sehr schnell nach und überlässt Jorge ein freies Bett. Tränenüberströmt steht der Südamerikaner wenig später wieder vor uns auf dem Kirchplatz und will Anne umarmen, was die aber durch ein geschicktes Tauchmanöver zu verhindern weiß. »Wie soll ich euch nur danken?«, heult er. »Indem du mit uns zum Essen gehst!«, entfährt es mir und Anne schaut mich an als hätte sie Lust, mir eine saftige kleine Ohrfeige zu verpassen, worauf ich beruhigend auf sie einwirke: »Ihr seid natürlich meine Gäste!«
Murrend folgt sie mir und Jorge in die kleine Taverne unterhalb der Dorfkirche. Kaum sitzen wir am Tisch und haben die Bestellung aufgegeben, bitte ich meinen Gast, seine Version meiner Ruco-Urco-Geschichte zu erzählen, denn seine falschen Namen ändern ja nichts am Wahrheitsgehalt des Erlebnisses. Jorge denkt allerdings gar nicht daran. Er weigert sich ganz entspannt und will bei einem Glas Rotwein über etwas anderes reden. Damit bin ich ganz und gar nicht einverstanden und forsche nach: Warum er den blöden Hitler-Vergleich gebracht habe, insistiere ich. Er lacht laut auf und behauptet, das sei ein schlechter Scherz gewesen, den ich wohl nicht verstanden hätte, aber es habe mir doch sichtlich gut getan, mal Dampf abzulassen, und darüber solle ich mich einfach nur freuen und mehr nicht. »Und woher wusstest du, dass ich eine Katze habe? Du denkst bestimmt, jeder in Deutschland hat ein Haustier!« – »So?«, strahlt er mich kindlich an und fährt fort, »ist das denn so bei euch in Deutschland?« Nach kurzem Überlegen entscheide ich: »Nein! Das ist natürlich nicht so!« Und er lächelt wieder nur knapp: »Na, siehst du!«
Eine letzte Frage muss ich aber wirklich klären und zwar in meiner Muttersprache: »Sag mal was auf Deutsch!«, fordere ich ihn aufgekratzt heraus. Jorge schaut mich nur leer an und behauptet frech, er beherrsche keine andere Sprache außer Spanisch. Anne tuschelt mir in Englisch zu, dass er doch nur ein armer Spinner sei und wir zügiger essen sollten, um ihn dann abzuwimmeln.
Nun gut, meinetwegen! Mehr ist aus dem angebrochenen Abend eh nicht mehr herauszuholen, also schlinge ich ein bisschen schneller.
Jorge will wegen ihres T-Shirts von Anne wissen, ob sie FC-Barcelona-Fan sei? Anne hat augenscheinlich keine Lust, auf das Thema einzugehen, und erklärt ihm: »Nein! Das hast du mich ja schon einmal gefragt. Das ist das einzige Kleidungsstück mit halblangen, sehr weiten Ärmeln, das ich auf dem Camino gefunden habe. Damit verbrenne ich mir meine Haut nicht und das ist der einzige Grund, warum ich es trage!« Ob ihr bewusst sei, dass sie mit dem Hemd ständig eine Meinung kundtue, die nicht die ihre sei, will Jorge sehr gelassen in Erfahrung bringen. Anne schmecken das Essen und das Thema nicht sonderlich und sie wird sichtlich nervös. Jorge bleibt aber am Ball und ist mit einem Mal wieder nüchtern. Er drängt Anne ganz unverkrampft, aber entschlossen ein Fußball expertengespräch auf. Der Mann kennt sich, so wie Anne, mit der englischen Liga bestens aus. Anne ist, wie sie unumwunden einräumt, fanatische Anhängerin eines Teams aus Leeds. Da die zwei während der immer angespannter werdenden Fachsimpelei viele spanische Fußballbegriffe benutzen, klinke ich mich desinteressiert innerlich aus und Anne wird zusehends nervöser. Das wird mir zu dämlich, was die beiden da miteinander zu bereden haben, und ich gönne mir einen entspannten Moment auf dem kleinen Rückzugsörtchen.
Als ich zurückkomme, haben sich die zwei inzwischen in einem handfesten Streit verkeilt, bei dem es sich um irgendwelche doofen Spielergebnisse aus England dreht. Anne schnauzt ihn laut auf Spanisch an und erklärt mir während einer kurzen Unterbrechung der angeheizten Diskussion mit einem Seitenblick: »Er spricht übrigens auch Englisch!«
Nun wird es also wieder interessant! Dem Inhalt des Dialogs kann ich zwar nur mühsam folgen, da ich all die genannten Vereine und Spielentscheidungen nicht mal in meinem Heimatdialekt verstehen würde,
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