Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg
alle die Motoren der Autos abstellen und aus den selbigen raus. Die Personalien werden aufgenommen und der Ärger mit den verbohrten Beamten geht erst richtig los.
Nach einer eineinhalbstündigen Diskussion händigt man uns gnädigerweise Visapapiere aus, die in tschechischer und russischer Sprache verfasst sind und die wir korrekt auszufüllen haben. Leider beherrscht niemand von uns diese Sprachen und da der General-oberst-major-oder-was-auch-immer ein bisschen Deutsch versteht, laufe ich zu ihm und bitte freundlichst um ein Dokument in einer uns bekannten Sprache. Der hat nun langsam auch die Nase voll von uns und kramt spanische Visa-Dokumente hervor.
Während es heftig weiter schneit, füllen wir bei einer Höllenkälte die auf den Autodächern verteilten Papiere aus. Zurück in die Autos dürfen wir nämlich nicht, weil wahrscheinlich Fluchtgefahr besteht; in welche Richtung allerdings, bleibt mir dabei völlig schleierhaft. Spanisch ist für die Italiener und mich prima zu verstehen. Mein Name ist mein Name, egal ob spanisch oder nicht. Meine Adresse bleibt die gleiche und meine Körpergröße, Geburtsdatum et cetera gebe ich in Zahlen an. Deutschland kürze ich mit F.ederal R.epublic of G.ermany ab. Das hat ja wohl auch internationale Gültigkeit! Aber dann kommt der Klopfer: Color del coche! Farbe des Autos!? Ja, was schreibt man da jetzt? Tschechisch, spanisch, englisch? Ich trabe also noch mal zurück zu dem dicken Leutnant mit der Bitte um freundliche Belehrung. Der blafft mich an: »Tschechisch!«
Untertänigst frage ich also: »Was heißt denn ›weiß‹ auf Tschechisch?«
»Finden Sie’s raus!«, schreit er zurück, während ich in seiner Atemwolke verschwinde. Gute Idee nachts um zwölf im verschneiten Böhmerwald!
Einer der Italiener geht nun langsam von einem Auto zum nächsten und übersetzt jedem tapfer die Farbe des Autos ins Tschechische. Er ist ein emigrierter Tscheche. Weiß heißt übrigens bila. Irgendwann dürfen wir dann einreisen und übernachten im nahe gelegenen Pilsen.
In Prag kommen wir am nächsten Tag um fünfzehn Uhr an. Es ist immer noch höllisch kalt. Schnee und Eis, wohin man schaut. Alle Hotels in der goldenen Stadt sind ausgebucht und es wimmelt von spontanen Italienern auf der Suche nach einer Bleibe. Selbst weit außerhalb der Stadt ist für uns kein freies Bett mehr zu ergattern und auch Pensionen und Kneipen sind hoffnungslos überfüllt. Keine Chance auf ein Zimmer, obwohl wir Stunden mit der Suche danach verbringen.
Gegen Abend beschließen wir vier resignierend: »Okay, wir gehen jetzt einfach essen, feiern irgendwo und nach uns die Sintflut.« Nachdem ich dann einen Hotelportier mit einhundertfünfzig Mark bestochen habe, dürfen wir an einer großen Silvestergala in einem Prager Luxushotel am Wenzelsplatz teilnehmen. Im Festsaal muss jeder dann noch mal einhundertfünfzig Mark abdrücken. Geld für ein vernünftiges Zimmer hätten wir also schon mal keins mehr. Aber im Hotel ist es warm und bis ein Uhr – denn so lang dauert die Party – sitzen wir zumindest nicht auf der Straße.
Die Party ist lustig. Wir feiern ausgiebig und trinken viel Alkohol, um uns dann um Punkt ein Uhr auf den Wenzelplatz zu wagen, wo die Menschen sich weinend vor Freude in den Armen liegen. Ein unglaubliches Silvester. Die Tschechen feiern ihre hart erkämpfte Freiheit! Und wir sind mittendrin – mittrinkend, mitheulend, mitlachend!
Gegen drei Uhr morgens wird uns wieder klar, dass wir keinen Schlafplatz haben, zu betrunken sind, um weiterzufahren, dass die Wetterverhältnisse eine Weiterfahrt sowieso unmöglich machen würden und dass eine Übernachtung im Wagen kaum zu überleben wäre. Die Situation spitzt sich zu und Anna fängt an fürchterlich zu weinen, als ich vorschlage, doch einfach in der Bahnhofsvorhalle zu übernachten. Die Situation ist aussichtslos und irgendwann sind wir heftig zerstritten. Wie sollen wir eine ganze Nacht bei Eiseskälte und Schnee draußen verbringen?
Plötzlich steht mitten im Revolutionssilvestergetümmel eine lächelnde langhaarige Blondine in meinem Alter vor mir und sagt: »Dobri novi rok.«
Ich schaue sie an: »Häh?«
Darauf sie begeistert: »Telewischa!«
Ich sage: »Telewischa? Ja genau!« Bei mir klingelt’s. Die Pragerin kennt mich aus dem Fernsehen. Die Frau sagt plötzlich in sehr gutem Deutsch: »Was machen Sie denn hier?« Ich werde hellwach: »Ich feiere mit drei Freunden Silvester und jetzt kommt der Knaller: Wir
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