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Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Titel: Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hape Kerkeling
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Nachbarn Opa Bödeker denken, einen pensionierten Bergmann, der mannshohe naive Plastiken aus Gips erstellte, die leider erst nach seinem Tod einen Künstler von Weltruf aus ihm machten. Heute ist der Name Bödeker in der Kunstwelt ein echter Begriff. Seine Plastiken prägen das Bild meiner Geburtsstadt Reckling hausen bis heute und er gilt als der Botero des Ruhrgebiets. Hab mich immer gut mit ihm verstanden und durfte als Kind zwischen den märchenhaften Figuren spielen. Wieso fällt mir der jetzt ein? Den hatte ich komplett vergessen.
    Mann, Mann, Mann, die sechsunddreißig Kilometer von gestern sitzen mir noch ganz schön in den Knochen und der Wein natürlich auch. Heute sollen es dann mal nur zwanzig Kilometer werden; sechs oder sieben davon habe ich schon geschafft.
    Gestern in dieser Bar in Boadilla del Camino, wo ich so fürchterlich kaputt herumhing und an meinem Spezi nuckelte, hatte ich das Gefühl, mit mir und der Welt ganz in Frieden zu sein. Alles war da und nichts hat gefehlt. Ich war zwar nicht am Ziel, trotzdem gerade angekommen und kurz vor einem neuen Aufbruch. Ich hatte keinerlei Zweifel am Sinn meiner Pilgerreise.
    Eine Freundin hat mir mal gesagt: »Du musst nicht zweifeln! Du musst dich im Leben einfach auf Gott verlassen! Irgendwie löst er alle Probleme auf seine unglaubliche Weise!«
    Und so kreist mir heute immer wieder eine Geschichte durch den Kopf, die ich 1989 in Prag erlebt habe.
    Drei italienische Freunde aus Bologna und ich haben am zweiten Weihnachtstag die spontane Idee, das Revolutionssilvester ’89 in Prag zu feiern. Wir finden uns sehr originell und nehmen natürlich an, als Einzige auf diesen glorreichen Einfall gekommen zu sein. So fahren wir also am 30. Dezember 1989 von München Richtung tschechoslowakische Grenze, wo wir bei wildem Schneegestöber gegen zehn Uhr nachts ankommen. Der Schlagbaum ist geöffnet und nur im Zollhaus brennt ein diffuses Licht. Innerhalb kürzester Zeit finden sich hinter unserem Auto zehn weitere ein, fast alle gefüllt mit spontanen Italienern. Da sich kein Beamter nähert, mache ich mich kurz entschlossen auf den Weg zum Zollhäuschen. Dort angekommen teilt mir der Beamte knapp mit, dass die Grenze bereits geschlossen sei und ich als Bundesbürger sowieso nicht an diesem Übergang hätte einreisen können, sondern nur die Italiener. Ich müsste einen Übergang sechzig Kilometer weiter nördlich benutzen, der sei aber auch schon geschlossen.
    Ich also zurück zum Auto und erkläre meinen Freunden und den anderen in der Kolonne: »Hier geht nix mehr, wir müssen alle zurück.« Aber Italiener können herrlich aufsässig werden. Keiner von ihnen macht auch nur die geringsten Anstalten umzukehren. Ein lautes italienisches Gebrüll Richtung Grenzhäuschen setzt ein: »Verdammt, ihr seid doch jetzt eine Demokratie, lasst uns rein.«
    Aber es gelten offensichtlich noch die alten Einreisebestimmungen und so rührt sich nichts. Es ist kalt und dunkel und wir alle wollen jetzt in die CSSR einreisen, also beschließen wir, von der friedlichen Revolutionsluft infiziert, einfach die Grenze zu passieren. Meine Freundin Anna ist beunruhigt und denkt laut: »Was ist, wenn die auf uns schießen?« Die Befürchtung scheint mir absurd und ich antworte lachend: »Die können doch hier nicht am Tag vor Silvester zwei Dutzend italienische Touristen abknallen! Da hätte Vaclav Havel sicher was dagegen!«
    Der Schlagbaum ist nach wie vor geöffnet, also fahren wir alle gemeinsam in einer dichten Kolonne über die Grenze. Es ist stockduster und erst fünfhundert Meter weiter kommt der eigentliche in bedrohliches Flutlicht getauchte Grenzübergang. Ruck zuck sind wir von Militär umzingelt. Wunderbar, wir sind mitten in einem James-Bond-Film aus den Siebzigern! Die Soldaten machen einen beängstigenden Aufstand und da wir in Wagen Nummer eins sitzen, werden wir als erste zusammengefaltet.
    Wir erklären dem wachhabenden Offizier oder was auch immer der darstellt: »Der Kollege hat uns rübergeschickt.«
    »Das ist unmeglich«, faucht er in seinem tschechisch gefärbten Deutsch zurück und wartet auf eine etwas plausiblere Erklärung. Also sage ich: »Wir sind doch nicht lebensmüde und fahren mal eben einfach über die Grenze in ein Land des Warschauer Pakts!« Das schluckt er dann, denn wie ein Held sehe ich nicht aus. Anna freut sich indes, dass es heute nicht mehr zu einer blutigen Schießerei im mittlerweile zwanzig Zentimeter hohen Schnee kommt. Wir müssen dann

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