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Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Titel: Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hape Kerkeling
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pilgern und nicht irgendeiner Pritsche hinterherwandern! Nightshift! Nachtschichtpilger, unglaublich! Das ist wahrscheinlich der Grund dafür, warum ich neuerdings selten anderen Pilgern begegne.
    Beim anschließenden gegenseitigen Beruferaten liegen wir alle gar nicht schlecht. Evi ist, wie ich vermute, Englischlehrerin und Tina arbeitet als Chefsekretärin in einer Stockholmer Behörde. Nachdem ich ihnen die Fortsetzungs geschichte mit meiner brasilianischen Verlobten in allen pikanten Einzelheiten schildere und ihnen die Schlusspointe natürlich auch nicht vorenthalte, tippen die zwei bei mir doch glatt auf Komiker!
    Im weiteren Verlauf unseres Gespräches fällt uns auf, dass uns an Schlüsselorten des Caminos immer erst Tiere erwarten und begrüßen.
    In Saint Jean, der ersten Station meines Weges, sitzt ein alter Hund am Bahnhof, als ich loslaufe, und glotzt mir aufmerksam hinterher. Heute, bei der Ankunft in Castrojeriz, liegt ein toter Uhu an der Stadtmauer und in Fromista begrüßen mich auf einer Weide ein schwarzer und ein weißer Hengst. Kurz vor Belorado stolpere ich fast über eine tote Katze. Tausende von Schmetterlingen umflattern mich in Zubiri und in Logroño hocken fünf Störche auf einer Kirchturmspitze.
    Wahrscheinlich sind das bedeutungslose Beobachtungen, doch wenn man alleine wandert, verändert sich die Wahrnehmung.
    Evi erzählt, wie sie bei ihrer ersten Pilgerreise auf dem Jakobsweg »gerettet« wurde.
    An einem Sonntagmorgen um neun Uhr bricht sie sich in den Bergen den Fuß und ist weit und breit allein. Einige Zeit später laufen zwei spanische Krankenschwestern in Tracht den Weg entlang. Die eine beginnt sofort mit der Erstversorgung, während die andere mit ihrem Handy die Feuerwehr ruft. Es fällt mir schwer, die Geschichte mit der Tracht zu glauben, und so hake ich mehrmals nach, aber Evi beteuert den Wahrheitsgehalt, obwohl auch sie mangels Spanischkenntnissen keine Ahnung hat, warum die beiden medizinisch geschulten Damen in voller Montur durch die Natur wanderten.
    Tina ist auf ihrer ersten Reise als Pilgerin auch allein und hat sich wie die meisten ihre Wasserration schlecht eingeteilt. Nach einem dreistündigen Marsch unter sengender Sonne ohne Wasser ist sie kurz vor dem Zusammenklappen, da findet sie auf dem Weg eine dicke, saftige Orange, die wahrscheinlich irgendein Pilger verloren hat. Jeder hat so seine komische Geschichte vom Weg zu erzählen. Bedauerlicherweise haben es weder Evi noch Tina beim ersten Anlauf bis nach Santiago geschafft.
    Die zwei durchtrainierten Hübschen haben sich vorgenommen, in knapp zwölf Tagen in Santiago zu sein; ein fast übermenschliches Pensum.
    Nach dem fantastischen Essen gehe ich zufrieden auf mein Zimmer und während ich meine verschmutzte Kleidung wasche, denke ich unter lautem Gelächter an Vanillepudding. Es war ein großartiger Abend. Tina und Evi sind wunderbar.
    Wenn alles gut läuft, plane ich mein Ziel in 19 Tagen zu erreichen und würde mir dann gerne noch ein paar entspannte Tage am Meer in Portugal gönnen.
    Vor dem Einschlafen muss ich noch mal an die dicke Amerikanerin aus Seattle denken. Sie war so glücklich und es war ihr so wichtig, auf die Meseta zu laufen.
    Erkenntnis des Tages:
    Freunde! Man muss die eigenen Grenzen auch mal bewusst überschreiten!

27. Juni 2001 – Carrión de los Condes
     
    Mann, die beiden Schwedinnen und ich haben gestern ganz schön gebechert. Bin heute erst nach zehn Uhr los. Tolles Wanderwetter. Bewölkt und eher kühl. Irgendwas zwischen 15 und 16 Grad Celsius.
    Als ich heute loslaufe, stoppt mich am Ortsausgang von Frómista ein älterer Herr und sagt: »Sie haben aber Glück auf Ihrem Weg, was?«
    Ich frage: »Warum?«
    »Na ja, wenn der Apostel Ihnen so ein Wetter schickt, begleitet er Sie auf dem Weg.«
    Ich sage: »Ich hoffe, er begleitet mich.«
    Darauf er mit einem Lächeln: »Sehen Sie, und ich weiß es!«
    Der Landstrich und die Orte Población de Campos und Villovieco, durch die ich laufe, sehen fast genauso aus wie die kleine Bauernschaft vor Recklinghausen, in der ich meine ersten sechs Lebensjahre verbracht habe. Westfälisch platte Runkelrübenfelder unterbrochen von rustikalen massiven kleinen Bauernhöfen. Das trübe Wetter verstärkt meinen Eindruck zusätzlich. Unglaublich. Es sieht aus wie früher, selbst die Leute schauen ähnlich aus, derb, aber herzlich. Hab das Gefühl, ich laufe nach Hause! Das ist schon sehr abgefahren. Muss die ganze Zeit an unseren damaligen

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