Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg
Schleuderverfahren ist nun mal was anderes als mein müdes Durchgewringe am Waschbecken. Ich will endlich mal wieder was richtig Sauberes anziehen.
Ich bleibe stehen und maßregele mich laut: »Also ich habe jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder ich gebe quengelig auf mit der Überzeugung, dass alles, was ich hier mache, doof ist, oder ich laufe weiter und glaube an ein kleines Wunder, ohne zu sehr darauf zu hoffen.«
Als ich mich das sagen höre, wird mir klar, dass ich es wahrscheinlich ewig bereuen würde, jetzt, fast auf der Hälfte des Weges, aufgegeben zu haben. So lautet mein Kommando an mich: Maul halten und weitermarschieren! Ein letzter Funken Vernunft beschließt eigenmächtig in mir weiterzupilgern, auch wenn ich noch so schlecht drauf bin. Ich warte jetzt auf ein Wunder!
Über einen Trampelpfad erreiche ich die in meinem Pilgerbuch angekündigte Bauernschaft Ledigos und suche die einzige Bar. Angestachelt durch den unbändigen Hunger in meinem Körper, finde ich sie schnell. Beim Blick durch die schmierige Fensterscheibe in das Lokal sehe ich: Die Bar ist noch dreckig vom Vortag und hat heute Ruhetag. Sie ist geschlossen. Ich könnte explodieren und die Fensterscheibe einschlagen. Maul halten und weiter!
Der nächste Ort, Terradillos de los Templarios, liegt noch einmal vier Kilometer weiter und so allmählich klettert in mir Verständnis dafür hoch, dass es Leute gibt, die sich einfach so mal ordentlich prügeln wollen.
Auf meinem weiteren Weg entlang der Landstraße durch Hessisch-Andalusien kommen mir allerdings nacheinander in kurzen Abständen vier ziemlich abgerissene düstere Gestalten entgegen. Die Männer trotten barfuß in wirklich heruntergekommenen Kleidern mit Plastiktüten in den Händen ausdruckslos voran. Einer hat einen Eimer bei sich. Was wollen die hier? Pilze suchen? Beeren sammeln? Pilger ausrauben? Da, wo ich herkomme, werden sie nichts von alledem finden!
Kaputt, hungrig, verstaubt, müde und mies gelaunt komme ich in das nächste Kaff. Terradillos besteht nur aus erdfarbenen Lehmhäusern. Konsequent übersetzt bedeutet der Ortsname schließlich so etwas wie »erdig«. Vielleicht sind die Gebäudekonstrukte auch aus Kuhdung, so süß-säuerlich und penetrant, wie es stinkt. Das Örtlein ist wie ausgestorben und totenstill. Nie im Leben finde ich hier etwas zu essen! Ich stehe mitten in diesem Ort und denke mir, ich mach jetzt genau das, was Jose aus Holland mir gestern empfohlen hat: Wenn sie etwas braucht, bestellt sie es einfach beim Universum. Ha, ha, ha! Also höre ich mich laut sagen: »Universum, ich will in den nächsten fünf Minuten ein ordentliches Frühstück, und wehe, wenn das nicht klappt.«
In dem Moment bricht ein ohrenbetäubender Lärm hinter mir los. Leute schreien, singen und hauen auf Trommeln. Irgendwer spielt schlecht Flöte. Ich schaue auf die Uhr: Es ist neun. Ich drehe mich um und gehe dem Krach nach. Da stehen vor einem der Lehmhäuser sechs angetrunkene Jugendliche mit bunten Hüten und Musikinstrumenten. Ich denke, ich hab ’ne Erscheinung, und die auch, als sie mich sehen. Ich sehe aber auch wirklich zu blöd aus mit diesem Wanderhut! Einer streckt mir sein buntes Hütchen entgegen und will Geld. Sie sammeln für das Dorffest, das heute Abend zu Ehren von Sankt Peter, dem Schutzheiligen des Kaffs, stattfindet! Heute ist Sankt Peter? Dann hab ich ja schon wieder Namenstag. Im Stillen gratuliere ich mir kurz. So viel Zeit muss sein!
Da ich heute nicht gerade die Spendierhosen anhabe, sondern nur mein hässliches Jeanshemd, gebe ich einhundert Pesetas und frage: »Gibt’s hier ’ne Bar?« Brüllendes Gelächter schallt mir entgegen. »Hier? ’Ne Bar!?« Einer der besoffenen Jugendlichen bietet mir daraufhin sein angeknabbertes Schinkenbrötchen an. Ich bin drauf und dran, es anzunehmen, und lasse es dann doch. Das habe ich nicht bestellt! Ich hatte mich, glaube ich, klar und deutlich ausgedrückt! Das ist nun wirklich nicht das leckere Frühstück, das ich beim Universum angemeldet habe.
Ich latsche zwei Straßen weiter durch den Weiler und lande vor einem sehr heruntergekommenen albergue . In diesen albergues gibt es so gut wie nie etwas zu essen; da kann man eigentlich nur schlafen. Ich durchquere den verwilderten Garten, betrete das Haus durch den Hintereingang und lande direkt in einer engen Küche mit niedriger Decke. Eine äußerst schlecht gelaunte kleine Spanierin, die sich eine Schürze um den drallen Leib geschnürt hat, erschrickt
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