Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg
den Boden aus! Ich könnte brüllen vor Lachen! Das könnte man sich ja nie ausdenken, so herrlich blöd ist das.
Anscheinend wohnt die Österreicherin in Wien und findet es nun mal grässlich, aber Grässlichkeiten will Schnabbel nicht sehen, schon gar nicht ihre eigenen. Schnabbel, da bin ich mir inzwischen sicher, ist mein Schatten! An der werde ich wahrscheinlich noch eine Weile meine helle Freude haben.
Die Österreicherin bestellt bei der immer noch genervten Spanierin in mühseligstem Spanisch einen weiteren Kaffee und grinst mich wieder über beide Backen an. Gerd überlegt bereits, woher er mich wohl kennt. Hoffentlich hat er eine Fernsehzuschaueramnesie.
Ander riesigen Landkarte im Speiseraum rechnet Schnabbel mittlerweile stehend lautstark aus, wie viele Kilometer sie schon hat und wie viele sie noch muss. Es ist für einen Moment wie im Erdkundeunterricht und ich rechne fest damit, gleich von Frau Dr. Schnabbel nach vorne gerufen zu werden, um die Bodenschätze an der Schautafel einzuzeichnen.
Diese Frau ist autoritär und damit habe ich ein Problem.
Dann setzt sie sich wieder mit den Worten: »Wir schauen ja im Fernsehen immer das ›Literarische Quartett‹.«
Die Österreicherin beteuert, dass sie das nicht kennt, und für mich bedeutet dieser dramatische Themenwechsel, Schnabbel hat mich erkannt und will jetzt elegant zu mir überleiten. Ich frühstücke weiter wie Toni Tulpe.
Schnabbel: »Doch, das müssen Sie kennen, das sieht man auch in Österreich, nicht Gerd, das muss sie kennen.«
Wieso siezt sie die Wienerin denn auf einmal wieder?
Gerd: »Das kennt sie auch.«
Österreicherin: »Ich kenne es nicht.«
Stille.
Schnabbel: »Du sprichst aber gut Spanisch.«
Sie meint wieder die Österreicherin; diese indes schätzt sich realistisch ein mit der Feststellung: »Es geht!«
Schnabbel: »Nein, ganz hervorragend. Aber mir gefällt ja Italienisch besser, der Klang ist schöner.«
Will sagen: Liebe Österreicherin, du hast sinnlos Zeit damit verplempert, diese hässliche Sprache zu lernen!
In diesem Moment betritt wieder einmal wie auf Bestellung ein strahlendes südeuropäisches Ehepaar in den späten Fünfzigern den Raum und kommt zu mir an den Tisch. Sie fragt mich sehr höflich auf Italienisch, ob sie sich dazusetzen dürften.
Ich bitte sie förmlich darum, denn ich will von Schnabbel am liebsten keinen Ton mehr hören.
Sofort entsteht ein sehr angeregtes Gespräch mit dem Ehepaar aus dem Friaul. Sie ist heute auch ein Querulant, kommt ganz schlecht voran und würde am liebsten aufgeben. Ihr geht’s genauso wie mir, und mich mit diesen beiden offenen, kultivierten Menschen auszutauschen tut mir gut.
Sie baut mich nach allen Regeln der mediterranen Lebenskunst, wie es sich für eine italienische Mamma gehört, wieder auf, er sagt auch noch was Nettes und meine Quengellust ist verflogen. Zur Feier meines Namenstages bestelle ich noch einen Kaffee.
Wenig später gesellt sich dann ein ziemlich netter, aber leicht depressiv wirkender junger Engländer zu uns. Schnabbel schweigt am Nebentisch mittlerweile vorwurfsvoll in den Raum und hört uns interessiert zu.
Mein Schatten ist ja genauso neugierig wie ich!
Dann sagt sie zu Gerd: »Hör mal, der Mann ist ja Spanier.«
Sie meint mich.
Die Österreicherin korrigiert umgehend: »Nein, er redet mit dem Ehepaar Italienisch.«
Ja, Schnabbel, wie kann man finden, dass Italienisch schöner klingt als Spanisch, wenn man die beiden Sprachen nicht mal auseinanderhalten kann? Schnabbel könnte der Pilger sein, mit dem ich heute noch eine hübsche kleine Keilerei anzettele.
An unserem Tisch geht’s jetzt fröhlich auf Italienisch und Englisch her. Der Engländer erzählt eine komische Story von einer Kröte, die er gerettet hat, und die Italiener schmieren Balsam auf meine Seele, indem sie nicht müde werden, mir zu sagen, dass sie mein Italienisch so gut finden. Das tut auch mal gut!
Trotzdem fühle ich mich gerade mit Schnabbel am Nebentisch eng verwandt, die will anscheinend ständig bestätigt haben, wie toll es ist, dass sie den Jakobsweg läuft.
Und so entscheide ich, dass es vollkommen unwichtig und gleichgültig ist, ob ich irgendwas kann oder laufe oder nicht – und habe jetzt einfach nur meinen Spaß!
Schnabbels Gesichtsausdruck verrät, dass ihr die gute Laune an unserem Tisch zu viel wird. Das deutsch-amerikanische Damenkränzchen beginnt damit, sich mit Sunblocker einzureiben. Guter Wiedereinstieg für Schnabbel, die, je
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