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Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Titel: Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hape Kerkeling
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gähnen, bevor sie anscheinend schlafen.
    Dafür streiten sich fünf Minuten später zwei Spanier vor meiner Tür. Und von diesem Streit werden meine beiden Zimmernachbarn auch wieder wach. Mein Gott, was ist das nur für ein schräges Etablissement.
    Sie brüllt: »Haltet doch die Klappe!« Und dann weiter zu ihrem Mann: »Die hätte den Bock auch nicht fett gemacht. Du alter Bock, halt’ doch die Klappe.«
    Das sagt sie tatsächlich! Dabei hab’ ich ihn gar nichts sagen hören.
    Und jetzt? Ich weiß, das geht mich überhaupt nichts an und, liebe Oma, ja, ich weiß auch: »Stecke niemals die Nase in anderer Leute Angelegenheiten!«
    Aber die beiden drängen sich förmlich in mein Leben und so was wie die zwei nebenan gehört doch eigentlich behördlich getrennt! Eben spielen sie noch unter meinem Hotelfenster das adrette, kundige Ehepaar aus Deutschland, zumindest sie, er hat ja gar nichts gesagt, und fünf Minuten später ist sie, der zornig erregten Stimme nach zu urteilen, zum Totschlag fähig.
    Möchte nicht wissen, wie viele Menschen so leben. Kann den beiden nur von Herzen eine Trennung wünschen, alles andere wäre gemein. Bin gespannt, wie sie aussehen, bestimmt wie pensionierte in Grau-Blau gehüllte Studiendirektoren. Vielleicht bekomme ich sie heute ja noch zu Gesicht? Sie ist sicher hager und zickig, er vermutlich groß, ein bisschen füllig und sehr müde. Hoffentlich murksen sich die beiden hier nicht gegenseitig ab. Wenn man bedenkt, was der Jakobsweg bei denen so alles in Bewegung gesetzt hat, wäre das durchaus möglich.
    Es gelingt mir noch einmal, für ein halbes Stündchen zu schlummern, bis ich erneut von einem Höllenradau geweckt werde. In diesem Hotel liegen alle Zimmertüren direkt oberhalb des Restaurants an einem Umlauf, ein bisschen erinnert es an einen Kreuzgang und so höre ich, wie ein Spanier aufgeregt in die Bar stürmt, einen Whiskey ordert und dem Chef des Hauses erschüttert berichtet, dass er im Auto auf dem Weg hierher einen schrecklichen Unfall gesehen habe. Auf der Landstraße Richtung Burgos sei eben eine deutsche Familie in ihrem Pkw mit einem spanischen LKW auf der Landstraße frontal zusammengeprallt. Alle Insassen waren sofort tot!
    Ich frage mich natürlich jetzt, ob das die Menschen waren, die ich vor einer knappen halben Stunde noch unter meinem Hotelfenster gehört habe?
    An Schlafen ist jetzt nicht mehr zu denken, also kleide ich mich an und gehe über die große Denver-Clan-artige Freitreppe hinunter in die Bar.
    Ich überlege kurz, ob ich mich nach dem Autounfall erkundigen soll, aber ich lasse es doch lieber. Habe heute schon genug Dinge, die mich eigentlich nichts angehen, mitbekommen. Bei einem Kakao und meinem obligatorischen bocadillo genieße ich den kühlen Raum und blättere in der Zeitung El País .
    Oben auf dem Umlauf öffnet sich eine Tür. Zunächst höre ich nur wieder die Stimmen, aber dann sehe ich sie! Meine Zimmernachbarn! Gemächlich bewegen sie sich Richtung Freitreppe und steigen langsam herab.
    Im Prinzip sehen die beiden so aus, wie ich dachte, graublau gekleidet mit einem Schuss Ocker. Nur ist sie größer und noch unsympathischer als in meiner Vorstellung. Eine germanische graublonde verbiesterte Hünin. Er ist dunkelhaarig, sympathischer und kleiner, aber noch matter als in meiner Fantasie. Ich kann den Anblick der beiden kaum ertragen, denn ich schäme mich, dass ich schon so viel über diese mir wildfremden Menschen weiß. So entschließe ich mich zu einer Ortsbesichtigung, denn ich würde ihren Gesprächen unweigerlich weiter zuhören.
    Ich befürchte fast, in ihr begegne ich meinem Schatten! Meinem akustischen Schatten! Ich bin zu neugierig!
    Die zwei Gassen des Ortes sind schnell durchlaufen und mir fliegen ständig, wie in einem Sergio-Leone-Film, Dornenbüschel entgegen. Ich blicke noch einmal zurück auf den hinter mir liegenden Feldweg und mache ein Foto dieses unbeschreiblichen Anblicks. Am schattigen Treppenabsatz eines Hauses freunde ich mich mit einer streunenden, sehr dreckigen, aber bildschönen, trächtigen schneeweißen Jagdhündin an. Sie ist voll mit Flöhen und zerkratzt sich die Haut. Aus einem Mülleimer fingere ich zwei leere Plastikflaschen. Die findet man an jeder Ecke. Also, ob die vielen Pilger hier für Erleuchtung sorgen, weiß ich nicht. Aber für jede Menge Müll entlang des Weges auf jeden Fall. Mit der Absicht, die Flaschen mit Wasser zu füllen, um die Hündin damit zu waschen, laufe ich zum Dorfbrunnen.

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