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Ich bin dein, du bist mein

Ich bin dein, du bist mein

Titel: Ich bin dein, du bist mein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Offenbar hatte er seinen Namen gehört. Doch anstatt sein Herrchen zu begrüßen, sprang er an Judith hoch, und zwar so stürmisch, dass er sie beinahe umriss. Bogdan packte ihn am Halsband. »Sitz«, sagte er laut. »Jetzt schau dir mal an, was du angestellt hast!«, sagte er vorwurfsvoll. »Du bist ganz schmutzig.« Er deutete auf Judiths T-Shirt, auf dem jetzt eine halbes Dutzend Pfotenabdrücke zu sehen waren. Aljoscha machte sich lang, legte die Schnauze auf die Vorderpfoten und sah betroffen zu den beiden hinauf. Judith kniete sich hin und streichelte den Hund hinter den Ohren.
    »Darauf kannst du wirklich stolz sein«, sagte Bogdan und strich sich über die mächtige Glatze. »Aljoscha ist normalerweise sehr scheu, um es mal so auszudrücken. Er schließt nicht so schnell Freundschaft. Aber dich scheint er regelrecht ins Herz geschlossen zu haben.« Bogdan klemmte das Köfferchen unter den Arm. »Lass uns gehen.«
    Das schmucklose Café des Schwimmbades hatte zwar geöffnet, war aber genauso leer wie der Rest der Anlage. Bogdan griff über den Tresen und zapfte aus einer Thermoskanne Kaffee in zwei Tassen. »Kuchen vielleicht? Apfel oder Marmor, mehr haben wir heute nicht im Angebot. Dafür geht er aufs Haus.«
    Judith setzte sich an einen der quadratischen Tische, die auch im Tagesraum eines Altenheimes hätten stehen können. Aljoscha rollte sich zu ihren Füßen zusammen und hing seinen Hundegedanken nach.
    »Kaffee reicht vollkommen«, sagte sie und blickte aus dem Fenster. Die Birken, die den Eingang des Schwimmbades bewachten, bewegten sich träge wie Trauerweiden im Wind. Das Grau hatte sich ein wenig gelichtet, aber es regnete noch immer.
    Bogdan setzte sich Judith gegenüber und musterte sie eingehend, so als versuchte er, ihr Gesicht zu lesen. Judith wich seinem Blick aus und umklammerte mit beiden Händen ihre Tasse.
    »Süße, du siehst wie ein Häufchen Elend aus«, sagte er schließlich.
    Judith zuckte mit den Schultern und wollte etwas sagen. Von wegen: Das Leben geht weiter. Sie brach plötzlich in Tränen aus. Verschämt wandte sie sich ab und schluchzte so laut, dass Aljoscha winselnd den Kopf hob.
    Eine große Hand legte sich sanft auf ihre Schulter. »Hier«, flüsterte Bogdan und reichte ihr eine Papierserviette.
    Sie griff danach, knäulte die Serviette zusammen und rückte ein Stück vom Tisch weg. Es war alles so peinlich, so demütigend. Am liebsten wäre sie im Boden versunken. Schließlich biss sie die Zähne zusammen, holte zitternd Luft und putzte sich die Nase.
    »Danke«, sagte sie mit brüchiger Stimme.
    »Ich bin leider ein miserabler Tröster«, sagte Bogdan. »Aber ein guter Zuhörer.«
    Judith blinzelte die Tränen weg und brachte ein schiefes Lächeln zustande. »Das ist doch schon mal was«, sagte sie mit leidlich fester Stimme.
    »Ja, aber ich glaube nicht, dass das in deinem Fall viel helfen wird«, erwiderte Bogdan. »Du gehörst zu denen, die ungern mit anderen über ein gebrochenes Herz sprechen. Stimmt’s? Ich weiß, wie du dich fühlst. Das kannst du mir glauben. Und du kannst mir auch glauben, dassdieser hundsgemeine Schmerz irgendwann mal nachlassen wird. So lange wirst du mit ihm leben müssen. Aber du darfst dich nicht von ihm beherrschen lassen, hörst du? Dann würdest du dich zusätzlich bestrafen. Das klingt jetzt alles nach Großmutters Ratschlägen, aber manchmal ist die Wahrheit banal.«
    Judith schwieg. Nicht, weil ihr die Worte fehlten, sondern weil sie Angst hatte, wieder in Tränen auszubrechen.
    »Es hat aufgehört zu regnen«, sagte Bogdan. »Sollen wir dein Fahrrad wieder flottmachen?«
    Sie nickte. »Danke«, sagte sie nur.
    »Dafür nicht«, sagte Bogdan und stand auf. »Ich gehe in die Werkstatt und hole eine Luftpumpe. Wir treffen uns vor dem Tor.«

    Judith trat hinaus in die kühler gewordene Luft, die endlich wieder nach Sommer roch. Hin und wieder stahl sich ein Sonnenstrahl durch die Wolkenlücken. Sie schämte sich noch immer für ihren Gefühlsausbruch. Aber wenn sie ehrlich war, fühlte sie sich auch erleichtert.
    Sie untersuchte das Fahrrad genauer. Wer aus Spaß Ventile klaute, dem waren auch noch andere Dinge zuzutrauen. Aber die Bremsen waren in Ordnung und auchdie Schnellspanner für die Räder waren nicht gelockert worden.
    Plötzlich hielt sie inne. Ihre Nackenhaare stellten sich auf. Sie drückte den Rücken durch und drehte sich langsam um. Sie hätte schwören können, dass sie beobachtet wurde. Vorsichtig tat sie einen

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