Ich bin dein, du bist mein
darüber nach! Gib uns eine Chance! Wir beide haben sie verdient!
Dein Gabriel
Du kannst doch dein Glück nicht mit Füßen treten. Um Himmels willen, ein echter Psycho! Auch diese Mail versenkte sie im Papierkorb, den sie sofort leerte. Doch es beschlich sie die schreckliche Ahnung, dass es damit nicht getan war.
Sie stand auf und ging hinüber zu ihrem Bücherregal, auf dem ihr Handy zum Aufladen lag. Nachdem sie es mit ihrer PIN wieder freigeschaltet hatte, wählte sie Kims Nummer.
Es klingelte zweimal, dann wurde abgehoben. »Judith?«
Sie hatte sich inzwischen wieder an den Rechner gesetzt und festgestellt, dass drei weitere Mails von Gabriel gekommen waren. »Sag, habt ihr heute Nachmittag schon was vor?«
»Eigentlich nicht«, antwortete Kim.
»Wollen wir alle zusammen ausgehen?«
»Fällt dir die Decke auf den Kopf?«, fragte Kim.
»Genau«, sagte Judith und schob die neuen Mails ungeöffnet in den Papierkorb. »Außerdem habe ich keine Lust, auch nur einen Handschlag für die Schule zu tun.«
»Geht uns auch so«, sagte Kim.
»Bist du gerade bei Niels?«, fragte Judith.
»Na, was denkst du denn? Oder meinst du etwa, meine Mutter würde sich darüber freuen, dass ich einen Freund habe?«
Kurzes Schweigen am anderen Ende der Leitung.
»Was ist passiert?«, fragte Kim ernst.
»Das erzähle ich euch später.«
»Wo sollen wir uns treffen?«, fragte Kim.
»Ich hätte Lust, zum Lohrberg hochzufahren«, sagte Judith. »Ich packe ein paar Sachen zum Essen ein und ihr bringt die Getränke mit. Okay?«
»Alles klar. Bis nachher.« Es knackte in der Leitung. Kim hatte aufgelegt.
Frankfurt verlor sich im Dunst der feuchten Hitze. Der Himmel hatte sich milchig eingetrübt, die gedämpfte Sonne warf konturlose Schatten auf den braunen Rasen, der mit verbrannten Flecken übersät war, wo die Leute einfach die glühenden Reste ihrer Grillkohle entsorgt hatten.
»Das wird jedes Jahr schlimmer«, sagte Kim. »Eigentlich hab ich keine Lust mehr hierherzukommen. Der Park wird immer mehr zur Müllhalde.«
Judith hatte die Satteltasche von ihrem Fahrrad gelöst und breitete nun eine Picknickdecke aus. Sie hatte Möhren, Gurken und Kohlrabi klein geschnitten, einen Dip angerührt und Brot gekauft. Dazu gab es kleine Frikadellen, die vom Mittagessen übrig geblieben waren.
Niels ließ sich auf dem Gras nieder und hebelte mit seinem Feuerzeug drei Kronkorken auf. »Hier«, sagte er und reichte zwei der Flaschen weiter. »Mädchenbier für euch und das echte für mich. Prost.«
Sie stießen miteinander an und Judith nahm einen tiefen Schluck. Das Mädchenbier, das eigentlich ein Radler war, hatte genau die richtige Temperatur.
»Also?«, fragte Niels und blickte Judith besorgt an.
Sie ließ sich auf der Decke nieder, nahm sich eine Möhre und knabberte nervös daran herum. »Ich weiß, wer dieFotos gemacht hat«, sagte sie schließlich und trank noch einen Schluck.
Kim hatte die Flasche schon angesetzt, als sie die Hand wieder sinken ließ. Ein kleines Kind lief an ihnen vorbei und trat ungeschickt nach einem bunten Ball.
»Wer?«, fragte sie nur.
Judith holte tief Luft und ließ den Blick über die Frankfurter Skyline schweifen. »Er heißt Gabriel.« Sie zuckte mit den Schultern und strich mit den Fingern über das beschlagene Etikett ihrer Flasche. »So nennt er sich jedenfalls. Aber ich glaube nicht, dass es sein richtiger Name ist.«
Kim runzelte die Stirn und suchte Judiths Blick. »Wo hast du ihn kennengelernt?«
»Vor einigen Tagen im Internet«, sagte Judith leise.
Niels gab ein tiefes, ungläubiges Lachen von sich. »Im Internet?«
Judith schämte sich auf einmal. »Ja, im Internet. Es war Zufall, das habe ich zumindest am Anfang gedacht. In meinem Posteingang war eine E-Mail. Gabriel hatte bei eBay ein Buch ersteigert und es nicht bekommen. In der Adresse war ein Tippfehler und so landete die Nachricht bei mir. Irgendwann haben wir angefangen, uns zu mailen.« Judith zuckte erneut mit den Schultern. »Er war nett und witzig. Nach all dem Mist mit Jan hat mir das gutgetan. Zum Schluss haben wir über Skype gechattet.«
»Und du hast dich wirklich mit ihm getroffen?«, fragte Kim ungläubig.
»Ja, im Metropol . Das Café war voller Leute.« Judith hielt inne. »Gabriel war in seinen Mails und im Chat so offen. Und plötzlich saß mir da so ein komischer, gehemmter Typ gegenüber. Und das Schlimme ist: Dass wir uns kennengelernt haben, war kein Zufall. Da bin ich mir sicher. Vor allen Dingen
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