Ich bin dein, du bist mein
wurde.
Am Ende des Weges bog er in eine asphaltierte Straße ein, die ihn zum nächsten Ort brachte. Von da aus benötigte er noch eine Viertelstunde, um die Autobahn zu erreichen. Er hielt sich peinlich genau an die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit. Er durfte auf keinen Fall geblitzt werden! Obwohl es vielleicht kürzere Wege zur Innenstadt gab, nahm er den, den er schon kannte, selbst wenn das einen Umweg bedeutete. Er durfte nicht das Risiko eingehen, sich zu verfahren und womöglich unpünktlich zu sein.
Gabriel liebte es zwar, in der Menge unsichtbar zu werden, aber sonst machte ihn die Stadt nur nervös, denn er mochte die Nähe anderer Menschen nicht. Er brauchte nur einen einzigen Menschen: Judith.
Für einen kurzen Moment spielte er tatsächlich mit dem Gedanken, den Mercedes im Parkhaus am Römer abzustellen. Es wäre bequem gewesen. Doch die Bequemlichkeit war ein schlechter Ratgeber, und so stellte er den Wagen in Seckbach ab, um mit der U4 in die Stadt zufahren. Er bezahlte das Ticket bar, nicht mit seiner EC -Karte, die er nur zum Abheben von Bargeld nutzte.
Von der U-Bahn-Station in Frankfurt waren es keine hundert Meter bis zum Café Metropol , an der Schirn und am Dom vorbei. Er schaute auf seine Uhr: perfekt. Er hatte noch genug Zeit, um sich einen Platz zu suchen, von dem aus er alle Gäste im Blick hatte.
Die Plätze auf der Terrasse waren glücklicherweise alle besetzt. Er mochte nicht draußen sitzen. Dort war es ihm zu hell. Stattdessen wählte er einen Tisch in einer der hinteren Ecken des Gastraums. Eine Kellnerin erschien und lächelte ihn freundlich an, Gabriel lächelte verwirrt zurück. Als sie ihn nach seiner Bestellung fragte, kam ihm ihre Stimme ungewöhnlich tief vor. Er erwiderte, dass er noch auf seine Freundin warte, bestellte aber gleich einen Kaffee. Keine Latte macchiato, keinen Cappuccino oder Espresso. Nur einen ganz normalen Filterkaffee.
Dann studierte er die Karte, legte sie wieder weg, schaute aus dem Fenster und beobachtete die Gäste. Immer wieder blickte er auf seine Uhr. Es war schon fünf Minuten über der Zeit. Vielleicht hatte sie es sich anders überlegt.
Eigentlich ein nicht tolerierbares Verhalten. Er würde irgendwann einmal mit ihr darüber reden müssen, denn Pünktlichkeit hatte viel mit Respekt zu tun. Beides Dinge,auf die er sehr viel Wert legte. Die Bedienung brachte ihm den Kaffee.
Gabriel bedankte sich und wischte mit der Handfläche einige Krümel vom Tisch, bevor er zwei Stücke Zucker und etwas Sahne in die Tasse gab. Immer wieder wanderte sein Blick von der Uhr zur Tür und wieder zurück.
Plötzlich sah er sie. Die widerspenstigen roten Locken hatte sie zu einem Zopf gebunden. Sie trug ein weißes Top mit dünnen Trägern und enge blaue Dreiviertelhosen. Als sie den Blick suchend durch das Lokal schweifen ließ, hob er die Hand. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht und sie trat auf ihn zu. Seine Kehle war auf einmal wie zugeschnürt.
»Gabriel?«, fragte sie.
Gabriel stand auf und streckte ihr seine Hand entgegen. »Hallo«, sagte er. Mehr brachte er nicht heraus. »Du bist spät dran.«
Für den Bruchteil einer Sekunde flackerte etwas in ihren Augen auf. Als hätte man einen kleinen Stein in einen spiegelglatten See geworfen.
»Tut mir leid, aber ich habe eine U-Bahn verpasst«, sagte sie und setzte sich ihm gegenüber hin. Sie war wunderschön.
»Wie geht es dir?«, fragte er. Ein weiterer Stein, der in den kalten See geworfen wird.
Ihr Lächeln war jetzt nur noch zu erahnen. Sie musterte ihn. Er wich ihrem Blick aus.
»Möchtest du was trinken?«
»Gerne.«
Gabriel schob ihr die Karte hin.
»Ich weiß schon, was ich möchte.«
»Ah«, machte er nur und gab der Bedienung ein Zeichen, die daraufhin nickte und mit dem Mund stumm die Worte »Eine Minute« formte.
»Ich hab mir schon einen Kaffee bestellt.« Sein Herz schlug wild. Sein Hände wurden feucht, er wischte sie an seiner Hose ab.
»Kein Problem«, sagte Judith. Und schwieg.
Sein Mund war wie ausgetrocknet. Monatelang hatte er auf diesen Moment gewartet und nun fehlten ihm die Worte. »Wie geht es deinem Hund?«, brachte er schließlich hervor.
»Bitte?«, Sie sah ihn an, als wäre er ein vollkommen Fremder. Gabriels Stuhl schien zu schwanken. So sehr, dass er sich am Tisch festhalten musste. Er räusperte sich. »Von Richthofen ist auf dem Weg der Besserung.«
»Ist er immer noch nicht stubenrein?«, fragte Judith nicht sonderlich interessiert.
»Nein,
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