Ich bin dein, du bist mein
Kinderspiel.«
»Tatsächlich?«, fragte Marion.
»Es kommt darauf an, welche Spuren Sie im Internet hinterlassen. Es reicht schon aus, wenn Sie in einem Verein ein Ehrenamt haben und Sie auf der Website erwähnt werden. Ein Blick ins Telefonbuch genügt, um die Adresse herauszubekommen. Sie glauben nicht, welche Informationen vollkommen bedenkenlos in der Altpapiertonne landen: Kontoverbindungen, Kreditkartennummern, in welcher Krankenversicherung Sie sind, welche Schule Sie besuchen, wer Ihr Arbeitgeber ist. So kann man leicht von einer Person ein umfassendes Profil herstellen. Wenn Gabriel schlau genug war, so vorzugehen, hat er umgekehrt seine eigene Identität verschleiert.«
Judith nahm ihr Handy und öffnete die Liste der zuletzt eingegangenen Nachrichten. »Das hier ist seine Nummer. Vielleicht können Sie ja damit was anfangen.«
»Gut, das ist doch schon mal ein Anfang«, sagte die Polizistin und schrieb sie sich auf. »Wir werden die Nummer überprüfen. Aber machen Sie sich keine großen Hoffnungen. Vermutlich benutzt er eine gestohlene Prepaid-Karte. Viele Menschen haben ein Zweithandy. Wenn sie es vermissen, machen sie sich nicht die Mühe, es sperren zu lassen, denn meist ist es ein Billiggerät und das Guthaben auf der Karte überschaubar.«
»Und was kann ich in der Zwischenzeit tun?«, fragte Judith.
»Sie sollten alle Nachrichten von Gabriel aufheben und alles aufschreiben, was passiert. In Ihrer jetzigen Situation hilft leider keine einstweilige Verfügung oder Schutzanordnung, die es ihm verbietet, Kontakt zu Ihnen aufzunehmen. Denn wenn wir nicht wissen, wer er ist und wo er wohnt, können wir diese Anordnung ja nicht durchsetzen. Deswegen ist es wichtig, dass Sie seine E-Mails aufbewahren. Über die IP -Adresse lässt sich vielleicht herausfinden, um wen es sich handelt. Dazu werden wir Ihren Rechner mitnehmen müssen.«
»Und was ist, wenn sich auf dem Rechner Dateien befinden, die dort nichts zu suchen haben?«, fragte Judith vorsichtig.
»Musik? Filme? So was in der Art?«, fragte Dokupil und steckte seine Kladde wieder in die Tasche.
»So was in der Art, ja«, gab Judith zu.
»Machen Sie Filesharing?«
»Ob ich was mache?«
»Filesharing. Laden Sie Musik runter und verteilen Sie sie gleich weiter?«
»Nein«, sagte Judith. »Die Sachen, die ich auf der Festplatte habe, sind kopiert. Von Freunden.«
Kim machte ein unschuldiges Gesicht.
Dokupil winkte ab. »Nicht unsere Wiese. Was haben Sie denn für einen Rechner?«
»Ein Notebook.«
»Nichts, was man abbauen müsste?«
Judith schüttelte den Kopf. »Wann bekomme ich es wieder?«
»Kann ich Ihnen nicht sagen. Hängt davon ab, ob es ausreicht, die Festplatte zu kopieren. Jedenfalls benötigen wir noch Ihre Passwörter.«
Judith verzog gequält den Mund. Dieser Dokupil verlangte von ihr, dass sie praktisch alles über sich preisgab. Aber was ihr noch mehr Bauchschmerzen machte, war der Gedanke, dass auch Gabriel schon alles von ihr wusste.
»Werden Sie etwas unternehmen, wenn er sich bei mir meldet?«, fragte Judith. »Über Skype, Facebook oder E-Mail?«
»Dann lesen wir mit und versuchen seine Spur zurückzuverfolgen«, sagte Dokupil. »Dasselbe gilt fürs Telefon. Wir werden eine Fangschaltung einrichten.«
»Und was ist mit mir?«, fragte Judith. »Auf welchem Rechner lese ich mit, wenn Sie mein Notebook haben?«
»Auf meinem«, sagte Marion spontan.
Judith war von dieser Idee nicht sonderlich begeistert. Sie fühlte sich auf einmal wieder wie ein kleines Mädchen, dem die Mutter am Computer über die Schulter schaut. Aber offline zu sein, wäre noch unerträglicher gewesen.
Dokupil schob Judith seine Visitenkarte hin. »Hier. Sie können mich jederzeit anrufen, wenn etwas passiert, einverstanden?«
»Soll ich ihm antworten, wenn er Kontakt mit mir aufnimmt?«, fragte Judith.
Dokupil schwieg einen Moment nachdenklich. »Nein«, sagte er schließlich. »Jede Reaktion von Ihnen, sei sie auch noch so negativ, wird ihn dazu ermuntern, Ihnen weiter nachzustellen.«
»Gut«, sagte Judith und stand auf. »Dann werde ich mal alles vorbereiten.«
Noch nie in seinem Leben war Gabriel so wütend gewesen. Wütend auf sich selbst. Auf seine Dummheit! Wie hatte er sich nur so dämlich anstellen können!
Er hätte sich besser vorbereiten müssen. Immerhinhatte er gewusst, dass sie eine starke Persönlichkeit war, der man ebenso stark gegenübertreten musste. Er hatte die Initiative aus der Hand gegeben und das hatte sich
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