Ich bin dein - Geheime Sehnsucht
Nathaniel zu recherchieren. Ich musste meine Unterlagen durchschauen.
Ich machte es mir im Bett gemütlich. Auf der ersten Seite standen seine Adresse und Kontaktdaten. Sein Anwesen lag zwei Stunden von der Stadt entfernt. Ich fragte mich, ob er einen weiteren Wohnsitz in Stadtnähe hatte. Auf der Seite standen zudem der Sicherheitscode, mit dem ich durch das Tor kam, und seine Mobilfunknummer, falls ich irgendetwas bräuchte.
Oder falls du zur Vernunft kommst, schaltete sich der nervige, kluge Teil meines Gehirns ein.
Auf der zweiten Seite standen Einzelheiten zu meiner Mitgliedschaft im Fitnessstudio und dem Programm, das für mich vorgesehen war. Ich schluckte den üblen Gedanken ans Lauftraining hinunter. Es folgten Einzelheiten zum Kraft- und Ausdauertraining. Ganz unten standen in akkurater Schreibschrift Name und Telefonnummer des Yogalehrers.
Seite drei informierte mich darüber, dass ich am Freitag keinerlei Gepäck mitbringen müsse. Für sämtliche benötigten Toilettenartikel und Bekleidung würde Nathaniel sorgen. Ziemlich interessant. Aber was hatte ich erwartet? Es folgten dieselben Instruktionen, die er mir bereits gegeben hatte: acht Stunden Schlaf und eine ausgewogene Ernährung. Also nichts Neues.
Auf Seite vier waren Nathaniels Lieblingsgerichte aufgelistet. Zum Glück war ich eine gute Köchin.
Seite fünf.
Sagen wir nur so viel: Nachdem ich die Seite gelesen hatte, war ich gleichzeitig erregt und nervös – und fieberte dem Freitag entgegen.
Kapitel 3
N athaniel West war 34 Jahre alt. Mit zehn Jahren hatte er bei einem Autounfall beide Eltern verloren. Er war bei seiner Tante Linda Clark aufgewachsen.
Er hatte mit 29 Jahren die Firma seines Vaters übernommen, ein einträgliches Geschäft, das er noch profitabler gemacht hatte.
Mir war sein Name seit Urzeiten ein Begriff gewesen – und zwar aus den Klatschspalten, die den Leuten aus den unteren Schichten Vorstellungen über »die da oben« vermitteln. Nathaniel wurde als Kotzbrocken, als richtiger Mistkerl dargestellt. Aber ich bildete mir ein, über den Menschen Nathaniel West ein wenig besser Bescheid zu wissen.
Vor sechs Jahren ‒ ich war 26 gewesen – war meine Mutter wegen ihrer Scheidung von Dad in eine schwierige Finanzlage geraten. Sie hatte so hohe Schulden, dass ihr die Bank mit einer Zwangsvollstreckung ihres Hauses drohte. Aber Nathaniel West hat sie gerettet.
Nathaniel saß im Vorstand der Bank und setzte durch, ihr die Möglichkeit zu geben, die Schulden abzutragen und das Haus zu behalten. Zwei Jahre später starb sie an einem Herzleiden. Aber in der Zeit davor hatte sie jedes Mal, wenn Nathaniels Name in einer Zeitung oder in den Nachrichten auftauchte, von seiner Hilfsbereitschaft erzählt. Ich wusste also, dass er nicht so unerbittlich sein konnte, wie die Welt glaubte.
Und als ich dann von seinen … pikanteren Vorlieben erfuhr, begannen meine Fantasien. Sie hielten an. Und hielten an. Sie hielten so lange an, bis mir klar wurde, dass ich sie ausleben musste.
So rollte ich an diesem Freitagabend um 17.45 Uhr in einem Wagen mit Chauffeur durch die Einfahrt auf sein Anwesen – ohne jegliches Gepäck außer meiner Handtasche und meinem Mobiltelefon.
An der Haustür stand ein großer Golden Retriever, ein schönes Tier mit eindringlichen Augen. Er beobachtete mich, als ich aus dem Wagen stieg und zur Tür ging.
»Braver Junge«, sagte ich und streckte die Hand aus. Ich war kein großer Fan von Hunden, aber wenn Nathaniel einen hatte, musste ich mich an ihn gewöhnen.
Winselnd lief der Hund zu mir und steckte seine Schnauze in meine Hand.
»Braver Junge«, sagte ich nochmals. »So brav.«
Er kläffte kurz, wälzte sich auf dem Boden und ließ mich seinen Bauch kraulen. Okay, dachte ich, vielleicht sind Hunde doch nicht so übel.
»Apollo«, sagte eine sanfte Stimme aus der Eingangstür. »Komm.«
Apollo hob den Kopf, leckte über mein Gesicht, trottete zu Nathaniel und stellte sich neben ihn.
»Wie ich sehe, haben Sie bereits mit ihm Bekanntschaft geschlossen.« Nathaniel war leger gekleidet: leichter grauer Pullover und dunkelgraue Hosen. Dieser Mann hätte noch in einer Papiertüte unverschämt gut ausgesehen.
»Ja«, sagte ich und strich mir eingebildeten Schmutz von der Hose. »Er ist wirklich süß.«
»Keineswegs«, korrigierte mich Nathaniel. »Fremde empfängt er in der Regel eher unfreundlich. Sie hatten großes Glück, dass er nicht nach Ihnen geschnappt hat.«
Ich sagte nichts.
Weitere Kostenlose Bücher