Ich bin dein Mörder: Thriller (Sam Burke und Klara Swell) (German Edition)
aufzubauen und gleichzeitig das Restaurant zu retten, gab es immer einen Haken.
»Wenn ich einen Vorschlag machen darf«, mischte sich Stein ein. »Lesen Sie die Stiftungssatzung und Ihren Anstellungsvertrag, und entscheiden Sie auf der Basis von Fakten.«
Zehn Minuten später war Klara wieder auf dem Weg nach Hause. Bei van Leuvens holte sie sich eine Zuckerrohreiscreme und setzte sich mit dem dicken Stapel Papiere, den Stein ihr mitgegeben hatte, auf die Stufen vor ihrem Haus. Das Eis schmolz schneller, als sie es essen konnte, und ein leichter Wind wehte ihr immer wieder die Locken in den Becher. Das Jobangebot würde bedeuten, endlich wieder etwas Sinnvolles zu tun. Endlich wieder wirklich helfen zu können. Statt dumm in der Gegend herumzufahren und Eitelkeiten zu befriedigen oder das Gegenteil davon. Die unerkannten Mordserien. Das war die Königsklasse. Die Disziplin, in der sich selbst das FBI aufgrund mangelnder Ressourcen oftmals geschlagen geben musste, weil sie nicht einmal antreten konnten. Wenn es ihnen gelang, einen Fall aufzudecken, würde sie ihre Reputation wieder herstellen können. Möglicherweise würde sogar Marin …
Mitten in ihren Gedanken klingelte ihr Handy. Sam. Natürlich. Das war das Problem. Sie hatte nicht vor, ihre Absprache zu brechen. Aber hatte Thibault Stein nicht im Grunde recht? Sie durften gar nicht gegen den Täter vorgehen, dies war explizit ausgeschlossen. Oh Sam, ich weiß nicht, was ich tun soll. Sie warf einen Blick auf das Handy. Es klingelte immer noch. Sein Gesicht, aufgenommen an einem weintrunkenen Abend in ihrer Wohnung, lächelte sie vom Display aus an. Oh Sam, es war gelogen, dass ich nicht weiß, was ich tun soll. Ich weiß, was ich tun werde, mein lieber Sam. Ich kann nicht anders. Es tut mir leid, Sam.
Dann nahm sie das Gespräch an.
Kapitel 7
Der zweite Brief
Lieber Sam,
ich hatte versprochen, dir von Betty zu erzählen. Mit Betty kam das, was ihr vermutlich als Stressfaktor bezeichnen würdet. Aber für mich war Betty etwas ganz Besonderes. Wir begegneten uns zum ersten Mal, als ich meinen über zehn Jahre alten Chevy Nova an einer Tankstelle im Rückwärtsgang gegen einen Betonpoller setzte. Ich fluchte und fummelte an der Automatik herum, und dann stand sie auf einmal neben dem Beifahrerfenster und lachte mich an. Ihre dunklen Haare, in die sie bunte Bändchen geflochten hatte, wehten ihr über die braunen, muskulösen Schultern. Sie hatte ein Piercing an der Lippe und einen Ring in der Nase. Sie sah umwerfend aus: stark und schön. Zwei Wochen später waren wir so etwas wie ein Paar. Sie war schon zwanzig, drei Jahre älter als ich, und an meiner Schule kannte sie keine Menschenseele. Keiner der Jungs an meiner Schule kannte ein Mädchen wie sie. Ich fühlte mich privilegiert, weil sie ausgerechnet mich ausgewählt hatte. Das erste Mal schliefen wir auf der Rückbank meines Novas miteinander. Wir fuhren über den alten Highway ins Landesinnere, der Verkehr war nicht besonders dicht. Sie lüftete ihren langen Wickelrock – sie trug immer diese Hippie-Mädchen-Dinger – und ließ mich ihre braun gebrannten Schenkel sehen. Zu diesem Zeitpunkt fühlte sich meine Kehle schon staubtrocken an. Dann sagte sie mir, ich solle rechts ranfahren, und zwängte sich zwischen den Vordersitzen hindurch auf die Rückbank und zog mich hinterher. Es war eng, heiß und stickig, und es war schneller vorbei, als mir lieb war. Das zweite Mal lief besser. Das dritte Mal phänomenal, und beim vierten Mal versicherte mir ihr Höhepunkt, dass ich alles richtig machte. Ich hatte ja keine Ahnung. Ich war erst siebzehn Jahre alt und konnte vor Testosteron kaum laufen. Sie machte mich an, wie es ihr beliebte, und ich gab ihr bereitwillig,
was sie wollte.
Zwei Monate später plante ich mit meinen besten Freunden einen Trip zur Spring Break nach Florida, aber Betty wollte mit mir alleine sein. In Mexiko waren ohnehin die besseren Partys, versprach sie mir, und ich war mir sicher, dass eine Party mit Betty immer besser sein würde als Saufen mit Chris und Pete. Wir fuhren Richtung Süden wie Bonnie und Clyde, tranken Bier und Bourbon, nach der Grenze Tequila. Wir hangelten uns weiter auf den Highways Richtung Cancún, den Partys entgegen. Nachts zelteten wir irgendwo in der Wildnis. Wir hatten es nicht eilig, nur das vage Ziel Ostküste, irgendwann. In Monterrey kaufte Betty bei einem Automechaniker an einer Tankstelle eine kleine silberne Pfeife und ein paar schmutzige
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