Ich bin dein Mörder: Thriller (Sam Burke und Klara Swell) (German Edition)
hinter der Waschstraße, im Sichtschatten einer grünen Hecke. Ich streckte ihr den Hundert-Dollar-Schein entgegen, den sie misstrauisch musterte. Dann steckte sie ihn in eine dicke Geldbörse, wie sie normalerweise Kellnerinnen benutzen, und sah mich an.
»Du müsstest nicht dafür zahlen, so wie du aussiehst.«
»Doch, das muss ich«, gab ich zu. Ich versuchte, dabei zu lächeln.
»Zu meiner Collegezeit hätte ich vier notgeile
Streberinnen mit Perlenohrringen und hübscher Unterwäsche gekannt, die dich nur zu gerne freiwillig rangelassen hätten.«
Sie wollte, dass ich mich gut fühlte, das spürte ich, obwohl ich wusste, dass sie recht hatte. Sie legte einen der Cowboystiefel auf das Armaturenbrett und warf den Hut daneben. Dann sah sie mich an. Mein erster Eindruck hatte mich nicht getäuscht: Sie war wirklich hübsch. Ihre braunen Haare waren streng zurückgekämmt und zu einem dicken Pferdeschwanz gebunden. Sie trug auffälliges Rouge, das ihre hohen Wangenknochen betonte.
»Das mag schon sein«, sagte ich leise. »Aber ich möchte dich.«
Sie lächelte: »Du siehst nicht nur gut aus, du bist auch charmant. Nur deine Augen sind so traurig.« Sie strich mir über die Wange wie eine echte Freundin. Sie machte ihre Sache gut.
Ich löste den Pferdeschwanz und streichelte ihr glattes Haar.
»Ich bin traurig«, flüsterte ich, »weil ich mir dich ausgesucht habe.«
Ich küsste sie, und ihre Lippen öffneten sich bereitwillig. Sie fragte nicht, was ich damit meinte. Ihr größter Fehler.
»Wie heißt du?«, fragte ich.
»Charlene«, sagte sie. »Willst du anfangen?«
»Ja, Charlene«, sagte ich und zog sie auf die Rückbank.
Am nächsten Morgen lag ich auf dem Bett meiner Einzimmerwohnung in der Innenstadt und wartete darauf, dass es an die Tür klopfte. Seit Betty wartete ich ständig darauf, dass sie an die Tür klopften, weil sie mich gefunden hatten. Aus einem Fachbuch über die Zeit des Bürgerkriegs, das ich eigentlich hätte studieren sollen, musterte mich Lincoln mit seinem gutmütigen konservativen Blick. Wenn Lincoln geahnt hätte, zu was ich fähig war, hätten sich seine Augen zu kleinen Schlitzen verengt. Zu groß war die Angst vor dem Klopfen. Dem »Polizei, machen Sie auf!«. Lincoln schaute immer noch gütig. Seit gestern gab es zwei gute Gründe für die Polizei, bei mir zu klopfen. Und der zweite lag nicht im Dschungel von Mexiko, sondern gewissermaßen direkt vor meiner Haustür. Natürlich war ich vorsichtig gewesen. Natürlich hatte ich die Leiche in eine der Mülltonnen vom Waschsalon gehievt und mit ein paar mitgebrachten Plastiktüten bedeckt. Natürlich hatte ich die Handschuhe und die geklauten Nummernschilder entsorgt. Aber ich hatte das Gefühl, dass mir jeder auf den ersten oberflächlichsten Blick ansehen konnte, was ich letzte Nacht getan hatte. Die Nachbarin aus dem ersten Stock mit ihrem Rollator, die Studentinnen-WG von gegenüber. Und meine DNA wäre überall an Charlene. In ihrem Mund, den ich geküsst hatte. Unter ihren Fingernägeln, mit denen sie mich gekratzt hatte. Ich beruhigte mich mit einem Text über den Rappahannock und der Tatsache, dass meine DNA nirgendwo gespeichert sein dürfte. Aber wer weiß? Vielleicht gab es Überwachungskameras an der Straße? Vielleicht hatten die anderen Prostituierten etwas mitbekommen? Ich konnte mich einfach nicht konzentrieren. Ich klappte das Buch zu, damit sich der gütige Lincoln endlich verzog, und setzte mich auf, als ich plötzlich zusammenschreckte: Das schrille Klingeln der Gegensprechanlage riss mich aus meinen Gedanken. Sie kommen mich holen. Jetzt ist es so weit. Mit zitternden Knien lief ich über den rauen Holzfußboden. Sie haben das Recht zu schweigen. Wie in Zeitlupe drückte ich den Knopf. Sie haben das Recht, sich einen Anwalt zu nehmen.
»Mr Burke? Hier spricht die Polizei. Wir hätten ein paar Fragen an Sie.«
Ich sah das SWAT-Team durch das baufällige Treppenhaus stürmen, ich hörte sogar ihre schweren Schritte. Ich hörte das Klicken der Handschellen.
Es klopfte. »Mr Burke?« Eine Männerstimme. Befehlsgeübt. Bestimmt. Ich öffnete die Tür, was wäre mir auch anderes übrig geblieben.
»Mr Burke, in letzter Zeit häufen sich in Ihrer Nachbarschaft Fälle von nächtlichem Vandalismus. Wir wollten Sie fragen, ob Sie zufällig etwas beobachtet haben?«
Vandalismus. Wenn Sie sich keinen Anwalt leisten können, wird der Staat Ihnen einen stellen. Heute noch nicht. Ich erklärte den
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