Ich bin dein Mörder: Thriller (Sam Burke und Klara Swell) (German Edition)
mit zwei Flügeln. Und sie war verschlossen. Klara schluckte. Entweder hast du nichts zu verbergen, Sam, wie mich dieses Büro eine halbe Stunde lang glauben lassen wollte, oder es ist hier drin. Das Schloss hätte sie sogar mit einer zurechtgebogenen Büroklammer aufbekommen, mit den Picks ging es so schnell wie mit dem passenden Schlüssel. Doch sie ließ sich immer noch nicht öffnen. Klara ging in die Hocke und fühlte am unteren Rand der Türen nach einem zweiten Mechanismus. Ein alter Einbrechertrick, den sie Sam einmal verraten hatte. Und sie wurde fündig. Klara musste sich flach auf den Boden legen, um das Bügelschloss zu inspizieren.
»Ich hasse dich, Sam Burke«, fluchte sie und setzte den Pick bei ihrem meistverhassten Modell an. Vor allem dafür, dass du alles vorausgesehen hast und mich dadurch auch noch demütigst, fügte sie in Gedanken hinzu. Sam wusste nur zu genau von ihren vielen Übungsstunden auf dem Sofa, wie ihr genau dieses Schloss immer wieder auf die Nerven gegangen war. Es ließ sich nur sehr schwer überlisten. Und diesmal benötigte Klara eine besonders lange halbe Stunde, zu der sie noch eine weitere Viertelstunde hinter Sams Schreibtisch hinzurechnen durfte, weil sie geglaubt hatte, ein Geräusch gehört zu haben, das sich als Kühlaggregat eines Getränkeautomaten im Aufenthaltsraum herausgestellt hatte.
Als sie die beiden Flügeltüren endlich öffnen konnte, atmete Klara ein und dann für eine volle Minute nicht mehr wieder aus. An den Innenseiten der beiden Flügeltüren klebte das, was sie die ganze Zeit vermutet hatte. Motivation, Viktimologie, Stressfaktoren, Kindheit – das psychologische Profil eines Serienmörders. Hier ist dein Fall, Sam. Überall auf dem Schaubild fanden sich Referenzen zu mysteriösen Briefen, auf die sich Klara keinen Reim machen konnte. Sie untersuchte den Rest des Schranks. Sam hatte neben dem Schaubild eine umfangreiche Stoffsammlung angelegt, ganz wie sie es früher beim FBI gehandhabt hatten. Offenbar hatte er sein Handwerk noch nicht verlernt. Aber das habe ich auch nicht, Sam. Sie fand die Briefe säuberlich in einzelne Folien abgeheftet und verklebt in einem eigenen Manilahefter. Und begann zu lesen. »Lieber Sam«, stand dort, und Klara lief ein kalter Schauer über den Rücken.
Als Klara eine halbe Stunde später die letzte Seite der Briefe gelesen hatte, war der Schauer noch kälter geworden. Wenn das echt war, und davon war Sam ja offenbar überzeugt, dann schrieb ihm ein unbekannter Serienmörder persönliche Briefe. Wie hatte er ihr das verheimlichen können? Sam sagte, sie sollten sich gegenseitig beschützen. Aber wie sollte sie ihren Teil des Jobs erledigen, wenn er nicht einmal mit so etwas zu ihr kam? Und wenn die Behauptungen in den Briefen stimmten, handelte es sich um eine der längsten unerkannten Mordserien in der jüngeren Geschichte der USA . Unerkannte Mordserien. Lost Souls. Das hier ist nicht länger nur dein Fall, Sam Burke. Das ist unser Fall. Und wir werden ihn gemeinsam lösen, auch wenn du davon nichts mitbekommst. Auch ich habe eine Verantwortung, Sam. Und ich werde mich ihr stellen. Klara starrte auf Sams Diagramm. Es beschlich sie das vage Gefühl, dass er etwas übersah. Und sie vermutete, dass es an ihr lag, dass sie ihm im Weg stand. Kein Wunder, wenn sich Sam genötigt fühlte, sein Profil in einer Schrankwand vor der Öffentlichkeit zu verstecken, und zu Hause jedes Mal den Computer runterfahren musste, wenn sie den Raum betrat. Nicht zu vergessen das zweite Schloss an der Schrankwand. Sam war sich sehr wohl bewusst, dass er mit Sprengstoff hantierte. Aber es schien eine Ebene des Profils zu geben, die Sam noch nicht entschlüsselt hatte. Leider blieb es auch nach einigen Minuten, die sie auf den Kreis mit seinen vier Segmenten starrte, bei dieser vagen Vermutung.
»Damit lasse ich dich nicht alleine, Sam Burke«, flüsterte Klara in der Stille seines Büros. »Damit nicht. Denn ab jetzt ist es etwas Persönliches.«
Klara zog eine schwarze Decke aus der Tasche ihrer Joggingjacke. Sie würde sie brauchen, um das Blitzlicht ihrer Kamera zu verbergen.
Kapitel 14
Der vierte Brief
Lieber Sam,
als ich wieder zu Hause war, fiel ich in ein tiefes Loch. Ich wusste, dass Betty dort, wo sie war, glücklicher war, aber ich blieb nun allein zurück. Ich haderte weniger mit ihrem Tod als mit meinem Überleben, und es war einmal dem Zufall und ein weiteres Mal den Fähigkeiten eines Notarztes zu verdanken, dass
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