Ich bin dein Mörder: Thriller (Sam Burke und Klara Swell) (German Edition)
haben«, unterbrach Bennett Steele sie mit seiner dunklen Stimme und hängte sein zeltartiges Jackett über Sams Schreibtischstuhl. Beinah die gesamte Lehne verschwand darunter. Sam konnte sich nicht vorstellen, wie es sich anfühlte, so groß zu sein. Ebenso wenig begreifen konnte er, wie Bennett mit dem Chaos auf dem Schreibtisch zurechtkam. Sam hielt nichts von liegen gelassenen Akten. Seiner Erfahrung nach hatten sie die Eigenschaft, sich zu vermehren, wenn man nicht hinschaute. Wie die Karnickel.
»Setzt euch«, forderte Bennett sie auf und deutete auf den Konferenztisch in der Mitte des Raums. »Hast du mittlerweile ein erstes Profil erstellt?«
Sam nickte und zog einen Flipchartbogen aus der Aktentasche, den er sorgfältig zusammengefaltet hatte, damit die aufgeklebten Notizen hielten. Er breitete ihn auf dem Tisch aus und erklärte, warum er vermutete, dass Tom junge Frauen im Alter zwischen 20 und 25 Jahren ermordete: Er versuchte, das Erlebnis mit Betty zu konservieren und wieder und wieder zu erleben. Er sprach von Asphyxie, den sadistischen Zügen seines Motivs. Und von den Lücken, von denen es in seinem vorläufigen Profil viel zu viele gab. Die Viktimologie war alles andere als vollständig, selbst die Frage, ob er geplant oder ungeplant vorging, konnte Sam nicht abschließend beantworten. Natürlich sprach die Länge der Mordserie für Ersteres, aber Bettys Tod war keineswegs geplant gewesen. Und bei der Prostituierten hatte er gegen seine Mordgelüste angekämpft. Noch. Die Drogen bedeuteten eine weitere Komplexität, sodass sein Profil im Moment eher einer Glaskugel glich, mit der er versuchen musste, die Inhalte der nächsten Briefe und damit dennoch die Vergangenheit vorherzusagen.
»Das größte Problem«, schloss Sam, »ist, dass wir das Profil sozusagen andersherum erstellen als üblich. Wir kennen seine Motive, sein genaues Vorgehen, den Ablauf der Tat. Aber wir haben dennoch keine Ahnung, wer er heute ist, weil sich die Ereignisse aus den Briefen vor Jahren zugetragen haben. Zudem fehlen genaue Datumsangaben, sodass wir alles nur grob schätzen können.«
»Und wenn du dich festlegen müsstest?«, fragte Bennett.
»Ich würde sagen, wir suchen einen weißen Mann, Anfang bis Mitte vierzig. Er ist kein Sadist im herkömmlichen Sinn, eher ein Sadomasochist. Er ist intelligent, gebildet, vermutlich studiert. Er kommt aus einem sehr strengen, vermutlich strenggläubigen Elternhaus und wuchs in gut situierten Verhältnissen auf. Dennoch muss er in der Kindheit ein traumatisches Erlebnis mit Bezug zu einem Erstickungstod gehabt haben. Ein Bruder, der ihn im Spiel unter Wasser drückte und ihn dabei fast ertränkte oder im Extremfall ein Elternteil, das ihn so regelmäßig bestrafte.«
Bennett nickte. »Irgendwas Geografisches?«
»Moment, Moment«, mischte sich Shirin ein. »Woher wollen Sie das alles wissen? Aus den drei Briefen?«
Bennett grinste: »Niemand hat gesagt, dass wir Sam freiwillig abgegeben haben.«
Sam war nicht in der Laune für Streicheleinheiten, und Shirin hatte natürlich recht. Für einen Laien konnte das sehr verwirrend sein, und sie war noch nicht lange im Team. Auch schon während seiner Zeit beim FBI hatte er jungen Menschen anderer Fachrichtungen zumindest Grundlagen der forensischen Psychologie vermittelt. Es störte ihn nicht, wenn sie Fragen stellten. Im Gegenteil. Und deshalb antwortete Sam ruhig und ausführlich:
»Sein ungefähres Alter ergibt sich aus der Tatsache, dass er bei seinem ersten Mord siebzehn oder achtzehn Jahre alt war und vorgibt, bis zum heutigen Tag eine ungenannte Anzahl Frauen ermordet zu haben. Wenn wir eine normale Progression, also eine Steigerung der Tatgeschwindigkeit, hineinrechnen, die es bei fast jedem Serienmörder gibt, landen wir etwa bei vierzig Jahren. Dass seine Eltern religiös waren, schließe ich aus der Tatsache, dass er über kirchliche Symbolik Bescheid weiß und sich gleichzeitig innerlich davon distanziert. Daher auch die Annahme, dass seine Eltern streng waren. Dafür spricht auch, dass er ein billiges Auto fährt, das er sich vermutlich selbst durch Nebenjobs finanziert hat. Eltern mit Geld würden ihrem innig geliebten Sohn vermutlich ein anderes Auto …«
»Okay, das reicht«, murmelte Shirin. »Ich hab’s kapiert.«
Bennett grinste immer noch.
»Und was die Frage nach einem geografischen Profil angeht: Damit kann ich leider noch nicht dienen, Bennett.«
»Ich weiß, Sam. Aber wir haben auf dieser Basis
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