Ich bin dein Mörder: Thriller (Sam Burke und Klara Swell) (German Edition)
ich Ihnen heute noch schreiben kann. Als ich im Krankenhaus aufwachte, mit Schläuchen in den Armen, und meinen eigenen Herzschlag zu dem monotonen Piepsen des Kardiomonitors spürte, begann ich, ernsthaft über meine Situation nachzudenken. Ich hatte zwei Selbstmordversuche hinter mir. Der dritte musste sitzen, oder ich musste mich entschließen weiterzumachen. Ich ahnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was nach der Trauer kommen würde: das Verlangen.
Weil ich nichts Besseres mit mir anzufangen wusste, schrieb ich mich an der Uni ein. In Amerikanischer Geschichte. Tagsüber lernte ich Frauen kennen, die sich für mich interessierten, die ich aber nicht beachtete. Ich ahnte wohl, was ich mit ihnen anstellen würde, wenn ich mich auf sie einließ. Abends übte ich an mir selbst mit Plastiktüten und einem Gürtel. Selbststrangulation, Asphyxie heißt das wohl in der Fachsprache, und ich stellte fest, dass ich mich in bester Gesellschaft bewegte. Der Sänger einer bekannten Rockband hatte sich sogar eine Maschine konstruieren lassen, die ihm mit steigendem Erregungsgrad immer weiter die Kehle zuschnürte. Eine Weile ging es gut mit dem Ersatz. Aber wie bei jedem Verlangen, dem man nur zu einem gewissen Prozentsatz nachgibt, wuchs die Gier, unbemerkt und hinter verschlossenen Fensterläden, zu einem großen, unbezähmbaren Monster.
An dem Tag, an dem ich beschloss, das Unausweichliche zu tun, war der Müll nicht abgeholt worden. Ich weiß das, weil sich alles, was an diesem Tag passierte, wie auf Zelluloid in meinen Kopf gebrannt hat. Ich weiß, dass es auf der Straße nach Tacos roch und dass es regnete, als ich aus dem Haus trat. Als ich den Nova startete, zitterten meine Hände vor Aufregung, die Knöchel meiner Finger traten weiß hervor, als ich das Lenkrad umklammerte. Ich zog Handschuhe darüber, die Nächte wurden schon kalt.
Sie sahen aus, als würden sie auf den Bus warten oder auf einen Freund, der sie zum Kino abholen käme. Ich fuhr langsam an ihnen vorbei auf der flachen Straße, die kerzengerade durch eine endlose Zahl von Baumärkten und Gebrauchtwagenhändlern schnitt. Eine trug unter dem schwarzen Schirm einen mintfarbenen Rock, Netzstrümpfe und Lackstiefel. Eine Brünette stand einfach im Regen und stemmte ihre Hand in die Hüfte, streckte einen Cowboyboot an einem hellen Bein in einer kurzen Jeans heraus. Ich konnte mich nicht entscheiden. Ich wendete bei einem mexikanischen Schnellrestaurant. Mein Mund wurde immer trockener, als ich die Straße wieder auf der anderen Seite zurückfuhr. Auch hier standen sie vor den geschlossenen Geschäften und auf den Parkplätzen. Aber ich wollte eine, die alleine stand. Nicht eine Gruppe. Obwohl ich mein Nummernschild gegen ein geklautes getauscht hatte. Ich wendete noch einmal, fuhr noch langsamer. Kurz vor der Brünetten mit der Jeans und den Cowboystiefeln setzte ich den Blinker. Meine Hände schwitzten in den Handschuhen, als sie die Tür öffnete. Sie kaute geräuschvoll ein Kaugummi und schob ihre Hüfte an die B-Säule, als sie mich fragte, ob ich Lust hätte, sie mitzunehmen. Ich hatte. Als sie die klemmende Tür endlich zugeschlagen hatte, setzte ich vorschriftsmäßig den Blinker und fuhr langsam die Straße runter.
»Ich würde gerne etwas Zeit mit Ihnen verbringen«, sagte ich. »Gegen eine kleine Entschädigung natürlich.« Ich hatte mich informiert. Ich wusste, wie es laufen musste, welche Formulierungen das Gesetz verlangte.
»Süßer, dass du kein Polizist bist, war mir klar, bevor du angehalten hast. Du kannst dir den Quatsch also schenken.«
Ich nickte.
»Fünfzig für eine halbe Stunde auf dem Parkplatz, Extras kosten extra. Alles nur safe, logisch.«
Ich nickte wieder. Meine Kehle war staubtrocken von der Heizungsluft.
»Ich gebe Ihnen hundert.«
»Für ’nen Hunderter kriegst du wahlweise blasen
ohne oder eine ganze Stunde. Oder ein anderes Extra.«
Ihr Kaugummi knatschte bei jedem Vokal. Sie griff nach meiner Hand und legte sie auf ihr weißes Tanktop, ich konnte die einzelnen Rippen des Stoffes spüren und darunter ihr weiches Fleisch. Ein anderes Extra. Ich räusperte mich, um wieder ordentlich schlucken zu können.
»Fahr da rechts auf den Parkplatz von der Waschstraße«, sagte sie.
»Okay«, sagte ich. »Sieht uns da auch niemand?«
Sie lachte kehlig: »Kannst nicht, wenn dir einer dabei zusieht, oder? Mach dir keine Sorgen, da ist nie jemand. Die meisten anderen fahren zu den Autohändlern.«
Ich parkte den Nova
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