Ich bin der Herr deiner Angst
der Decke gehalten.
«Ich bin mit Albrecht unterwegs», sagte ich kühl. «Und du weißt, dass ich über den Stand der Ermittlungen nichts sagen darf.»
Warum auch immer sämtliche Männer in meinem Leben damit ein solches Problem hatten. Alle beide.
«Aber immer.» Dennis seufzte übertrieben, als brächte er ein gigantisches Opfer. «Jörg Albrecht, dein Herr und Meister. Ich könnte fast schon … eifersüchtig werden.»
Das kam dermaßen gönnerhaft, dass ich kurz davor war, den Anruf auf der Stelle zu beenden.
Aber das tat ich nicht. Wir sprachen noch ein paar Worte, bevor wir uns in seltsam sachlichem Ton verabschiedeten.
Wieder eine Nacht.
Wieder eine Nacht getrennt von Tisch und Bett.
Nein, ich würde nicht an den Mann denken, der mir heute Morgen eine Rose geschenkt hatte.
***
Wirklich selten hatte Jörg Albrecht ein Gesicht mit dermaßen ausdrucksstarken Augenbrauen gesehen.
Als ob sie den Blick noch einmal unterstrichen, mit dem Maja Werden den Hauptkommissar betrachtete.
Sie saßen in Jonas Wolczyks Wohnküche, die beiden Ermittler, Werden und der schlaksige Doktorand selbst.
Freundin oder nicht, die junge Frau schien sich wie zu Hause zu fühlen, hatte ihnen den Kaffee eingeschenkt und war auch sonst diejenige, die die Unterhaltung beherrschte.
Wie hätte es anders sein können?
Jörg Albrecht hatte ein nicht unwichtiges Detail übersehen.
Ja, möglicherweise hatte er eine Chance, die labyrinthischen Pfade des Dienstwegs abzukürzen, die ihn zu Max Freiligrath führen konnten.
Doch auf der Schwelle zu dieser Abkürzung wachte Maja Werden gleich einem Zerberus mit Bubikopf.
Maja Werden war Psychologin. Keine von denen, die den Insassen der Psychiatrie eine Gehirnwäsche verpassten und ihnen ansonsten verständnisvoll Händchen hielten, aber eben doch eine von diesem gewissen Fach.
Und dass sich ihre und des Hauptkommissars Einschätzung eines Tatbestands nicht zwangsläufig deckten, hatte Albrecht gestern eindrücklich erlebt.
«Niemand verdächtigt Max Freiligrath, irgendetwas mit diesem Fall zu tun zu haben», betonte er zum dritten oder vierten Mal. «Freiligrath sitzt seit mehr als zwanzig Jahren …» Er brach ab. Die Formulierung
hinter Gittern
hatte sie zehn Minuten zuvor harsch zurückgewiesen. «Wie würden Sie das ausdrücken?», fragte er stattdessen.
«Er saß sechzehn Jahre lang in Haft», erwiderte Werden ruhig und ließ seinen Blick dabei nicht los. «Seit 2004 befindet er sich in stationärer Behandlung.»
Irrenanstalt
, dachte Jörg Albrecht.
Klapsmühle
hätte sein Vater gesagt.
Dann eben
stationäre Behandlung
.
«Aber was ich nicht begreife», fuhr die junge Frau fort, ohne ihn zu Wort kommen zu lassen. «Wenn er nichts mit dem Fall zu tun haben kann – und da stimme ich Ihnen zu –, was erhoffen Sie sich dann von ihm?»
Albrecht holte Luft. Der Kaffee war gut gewesen, brannte ihm aber gerade ein Loch in die Magenwand. «Ich habe schon versucht, Ihnen das zu erklären …»
Die Augenbrauen hoben sich eine Winzigkeit.
Albrecht biss sich auf die Zunge. «Sie … Es tut mir leid, aber Sie müssen verstehen, dass ich aufgrund der aktuellen Ermittlung nicht in allen Details deutlich werden darf. Kommissarin Friedrichs und ich», ein Blick zur Seite, «sind uns sicher, dass unser Täter bewusst auf Max Freiligraths Taten verwiesen hat.»
Friedrichs nickte nur ganz knapp. Bisher war sie nicht die Hilfe, die er sich von ihr versprochen hatte. Seit der Raststätte hatte sie kaum ein Wort gesprochen, seinem Versöhnungsangebot zum Trotz: frische Apfeltaschen und Coffee to go aus dem Autobahnrestaurant.
«Und gleichzeitig sind wir uns sicher», formulierte er umständlich, «dass der Täter sich sicher ist, dass wir keine Chance haben, rechtzeitig mit Freiligrath Kontakt aufzunehmen.»
«Rechtzeitig wofür?»
Albrecht schüttelte den Kopf. «Für den nächsten Mord? Für den übernächsten? Worauf auch immer der ganze kranke Zauber hinausläuft. Wir kennen das Drehbuch nicht, dem seine Pläne folgen, aber es kann keinen Zweifel geben, dass ein solches Drehbuch existiert. Alles spricht dafür. Er überlässt nichts dem Zufall, und dort, wo er gezwungen ist, zu improvisieren – so wie gestern Abend, mit der Ermordung von Professor Möllhaus –, stellt er sich mit einer Geschwindigkeit auf die neue Situation ein …» Er schüttelte den Kopf. «Dämonisch.»
«Sie werden verstehen, dass ich von Erklärungen, die mit Dämonen arbeiten, nicht besonders viel
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