Ich bin der Herr deiner Angst
halte», erwiderte Maja Werden kühl.
Und noch immer sah sie ihn an. Mehr denn je kam er sich vor wie im Verhör. Sie sah …
Er kniff die Augen zusammen und tastete über seine Stirn.
«Hab ich da etwa einen Fussel?», fragte er freundlich.
Den
Trick kenn ich auch!
Die wenigsten Menschen konnten es besonders lange ertragen, wenn sie den Eindruck hatten, jemand schaue ihnen unentwegt in die Augen.
Und Jörg Albrecht machte da keine Ausnahme.
Zumindest solange er nicht durchschaute, dass sein Gegenüber gar nicht seine Augen fixierte, sondern einen Punkt auf seinem Nasenrücken oder einen Leberfleck auf der Stirn.
Zum ersten Mal schenkte ihm Maja Werden ein – wenn auch dünnes – Lächeln. Sie konnte es ertragen, einen Treffer zu kassieren.
An ihrem Blick änderte das nichts.
Doch vielleicht war das Eis damit gebrochen.
Die Zeit lief ab.
Jörg Albrecht spürte es.
***
Nach Königslutter brauchte man um die zwanzig Minuten.
Wieder saß Friedrichs hinter dem Steuer, passte jetzt auf, dass sie Maja Werdens dunklen Golf nicht aus den Augen verloren.
Albrecht holte währenddessen sein Handy hervor.
Am Nachmittag, nach dem Nicht-Besuch bei Horst Wolfram, hatte er nur kurz auf dem Revier angerufen und veranlasst, dass in der Nähe des E.on-Geländes eine Zivilstreife stationiert wurde.
Theoretisch war Wolfram als höchst gefährdet anzusehen. Doch gleichzeitig war sich Albrecht nahezu sicher: Wo immer der Mörder als Nächstes zuschlagen würde – jedenfalls nicht an dem schäbigen Wohnmobil.
Der Täter hatte sie bewusst auf den Traumfänger angesetzt. Er konnte sich ausrechnen, dass der Hauptkommissar Maßnahmen veranlassen würde, um den damaligen Ermittler zu schützen.
Genauso im Übrigen beim alten Hansen, der die restlichen Tage im Krankenhaus unter Polizeischutz verbringen würde.
Doch das war keine Garantie, dass nicht in genau diesem Moment irgendwo anders die Luft brannte.
« PK Königstraße, Kriminaloberkommissar Max Faber.»
«Bericht!»
«Moment …»
Albrecht hörte ein Rascheln.
«Okay … Sie wollen wissen, wie weit wir sind?»
Albrecht biss die Zähne zusammen. Warum sollte er sonst anrufen?
«Gut …», murmelte Faber. «Wir haben uns die Traumfänger-Akte vorgenommen. Wenn man das Akte nennen will … Zwei Regalreihen voller Ordner. Wir haben das Relevante inzwischen erfasst, denke ich, und gehen in der Reihenfolge vor, wie Sie das angewiesen haben. Zuerst die Namen der Beteiligten. In den eigentlichen Fall lesen wir uns hinterher ein. Im Moment schreibt Seydlbacher noch die Namen raus, und ich versuche, die Leute zu erreichen. Ich denke, in dieser Aufteilung …»
Albrecht brummte zustimmend. Seydlbacher war ein guter Mann, aber für den Telefondienst nur bedingt geeignet. Zumindest nördlich des Weißwurstäquators.
«Allerdings muss uns klar sein, dass wir auf diese Weise wohl nur einen Bruchteil derjenigen feststellen können, die möglicherweise gefährdet sind», gab Faber zu bedenken. «Sämtliche Beamten, die irgendwie beteiligt waren, klar, die haben wir. Dazu das Gericht, Gutachter und Zeugen …»
«Die Zecke hätten wir jedenfalls nicht auf der Liste gehabt», murmelte Albrecht.
«Genau. Und auch nicht die Angehörigen der einzelnen Opfer, soweit wir keine offizielle Aussage von ihnen haben. Und selbst die, die wir haben: Ich ruf sie an, bitte sie, sich vorzusehen, frage nach, ob sie in letzter Zeit irgendwelche ungewöhnlichen Bekanntschaften hatten, aber …»
«Weder bei Stahmke noch bei Professor Möllhaus hat er diesen Aufwand betrieben», führte der Hauptkommissar den Gedanken zu Ende.
Es sei denn, dachte er, Friedrichs hat recht, und der Kontakt zur Zecke war intensiver, als wir geahnt haben.
Seine Verbündete. Was hat es zu bedeuten, dass er sie jetzt getötet hat?
Hastig schob er den Gedanken auf Wiedervorlage. Faber sprach schon weiter.
«Eben», bestätigte die Stimme aus dem Telefon. «Absolut jeder, mit dem ich heute Nachmittag telefoniert habe, kann das nächste Opfer sein. Und so viele Menschen unter Personenschutz zu stellen … Sie wissen selbst am besten, wie unsere Kapazitäten aussehen.»
«Illusorisch», fasste Albrecht zusammen. «Machen Sie trotzdem weiter. Wir müssen die Leute zumindest warnen. Können Sie mir sagen, wie weit Matthiesen mit den Bestattungsunternehmen gekommen ist?»
«Er hat alles im Umkreis von fünfzig Kilometern um Braunschweig abtelefoniert. Niemand vermisst einen Sarg, niemand will unter
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