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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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lief.
    Eine jüngere Frau mit farblosem Haar kam uns auf dem Flur entgegen, Schritte wie eine Schlafwandlerin. Ich machte Platz, damit sie an uns vorbeikonnte, doch sie blieb zögernd stehen. «Sie sagen mir doch Bescheid, ja?» Die Stimme kaum mehr als ein Flüstern. «Sie sagen mir doch Bescheid, wenn die Feuerwehr kommt?»
    «Kein Problem», versicherte unser Herr und Meister.
    Damit schien sie zufrieden zu sein. Ein gemurmeltes
Danke
, und sie war verschwunden.
    Ein paar Schritte weiter ein irgendwie verwachsen aussehender Mann. Er sagte kein Wort, doch jedem, der vorbeikam, winkte er freudestrahlend zu. Verhaltensauffällig war das schon alles, aber gefährlich?
    Doch schließlich befanden wir uns eben
nicht
in der Abteilung für die Sicherungsverwahrten.
    «Maja!» Ein Mann Ende vierzig mit einem Backenbart wie aus
Vom Winde verweht
stand plötzlich vor uns, mit ausgebreiteten Armen. Sein fliederfarbener Kittel wies ihn als Mitarbeiter aus. «Mein Gott, wir haben es vorhin erst erfahren!»
    Ich brauchte einen Moment, bis ich begriff, wovon er sprach.
    Möllhaus. Maja Werdens Doktorvater hatte jahrelang mit der Einrichtung zusammengearbeitet.
    «Bob», murmelte unsere neue Freundin.
    «Dr. Robert Seidel», erklärte sie, halb im Schwitzkasten, nachdem er sie an sich gezerrt hatte, in einer Geste, die er wohl für mitfühlend hielt. «Der Chefarzt für die Stationen 62 a bis e.»
    Der Mann, auf den es ankam, dachte ich.
    Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Wir hatten uns den Weg durch die Instanzen sparen wollen, doch kein Ermittler konnte mal eben mit einem Insassen einer psychiatrischen Klinik sprechen, nur weil er irgendjemanden kannte, der dort ein Forschungsprojekt betreute. Nicht, bevor die zuständigen Mediziner das abgenickt hatten.
    Seidel sah uns aufmerksam an, während die junge Frau uns vorstellte. Die Hintergründe ließ sie im Vagen, wobei sie auch kaum eine Wahl hatte. Schließlich war Albrecht genauso im Vagen geblieben. Sie deutete lediglich an, dass wir Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Tod des Professors führten.
    Die Falten auf der Stirn des Arztes wurden mit jedem Wort tiefer.
    «Das gefällt mir nicht», murmelte er. «Wir sind hier äußerst zufrieden mit den Fortschritten, die Dr. Freiligrath macht, gerade in den letzten Monaten. Wie Sie wissen, besteht unsere Aufgabe darin, die Wiedereingliederung des Patienten in die Gesellschaft vorzubereiten. Dr. Freiligrath nimmt hier äußerst regen und wirklich ganz besonderen Anteil, was – das darf ich bemerken – keineswegs selbstverständlich ist. Den meisten unserer Patienten müssen wir die Bedeutung und den Wert von Arbeit überhaupt erst wieder deutlich machen, während wir bei ihm nun wirklich …»
    «Herr Dr. Seidel.» Albrecht hob beschwichtigend die Hand. «Bitte. Es liegt mir vollständig fern, Herrn Dr. Freiligrath irgendeiner Straftat zu bezichtigen. Irgendeiner neuen Straftat zumindest. Mir ist vollkommen klar, dass er hier bei Ihnen …»
    «Wir sind eine geschlossene Abteilung!», unterbrach ihn Seidel. «Innerhalb ihrer jeweiligen Räume ermöglichen wir unseren Patienten ein Höchstmaß individueller Lebensgestaltung, ganz nach dem jeweiligen Geschmack und ihren Interessen. Doch das ändert nichts daran, dass sämtliche Zimmer auf allen unseren Stationen alle zwei Stunden kontrolliert werden, rund um die Uhr! Dr. Freiligrath hat sich vergangene Nacht nicht von hier entfernt! Nein, ich glaube wirklich nicht …»
    «Bob?»
    Maja Werden blickte ihn an, halb von unten.
    Mädchenblick, dachte ich. Funktionierte fast immer, selbst bei Psychologen.
    Seidel brach auf der Stelle ab.
    «Bob, ich … ich weiß, dass das ungewöhnlich ist und …»
    Ihre Zunge fuhr über die Lippen, eine Geste der Nervosität.
    Oder verdammt gut gespielt, dachte ich.
    «Ich will euch auch auf keinen Fall ins Handwerk pfuschen», erklärte die Psychologin. «Aber ich hab mir gedacht: Könnte das nicht für Dr. Freiligrath eine ganz wichtige Erfahrung sein?»
    Seidel blinzelte verwirrt, doch die junge Frau wandte sich schon an unseren Chef.
    «Hauptkommissar Albrecht, als wir uns vorhin unterhalten haben … Ich kann mich natürlich täuschen, aber wie ich Sie verstanden habe, hörte sich das so an, als ob Sie den Patienten eigentlich gar nicht so sehr als Zeugen vernehmen wollten, oder? Könnte man es nicht eher
so
ausdrücken, dass Sie wegen Dr. Freiligraths ganz speziellem Hintergrund seinen Rat suchen … als

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