Ich bin der Herr deiner Angst
Sachverständigen?»
Ich biss die Zähne zusammen. Jetzt keinen Spruch, Friedrichs.
Ich sah Albrecht an.
Alle
sahen Albrecht an. Die Doktorandin hatte ihm eine goldene Brücke gebaut, doch ich spürte sein Zögern, und, nein, ich hätte in diesem Moment nicht in seiner Haut stecken wollen. Werdens Auslegung unserer Absichten war
äußerst
gewagt, und Albrecht musste klar sein, dass sie unter Umständen einen Haufen Probleme bringen konnte. Ein Zeuge war ein Zeuge, und das musste ihm – und allen anderen Beteiligten – mitgeteilt werden. Schon weil er bei einer Falschaussage selbst ganz schnell vor Gericht landen konnte. Ganz davon zu schweigen, dass
wir
höllisch aufpassen mussten.
«Doch», sagte Albrecht schließlich. «Ich denke, so könnte man es ausdrücken.»
«Bob?», wandte sich Maja Werden wieder an den Arzt. «Wirklich, ich glaube, das würde ihm guttun.»
Robert Seidel breitete die Arme aus. «Was soll ich sagen?» Vage genervt. «Wenn er bereit ist, mit Ihnen zu reden – er ist kein Gefangener.»
Mit
dem
Spruch, dachte ich, waren wir dann wohl quitt.
***
Jörg Albrecht atmete auf.
Die letzte Klippe war umschifft.
Maja Werden hatte keine Einwände erhoben, als er ihr erklärt hatte, dass sie bei der Unterhaltung – wertfrei formuliert – mit Freiligrath leider nicht dabei sein könne.
Das aber war zuletzt seine größte Sorge gewesen. Die junge Frau hatte mittlerweile einiges gut bei ihnen. Wenn sie auf ihrer Anwesenheit bei diesem ominösen Gespräch bestanden hätte: Mit welchem Argument hätte er ihr das verweigern können?
Weil es kein Gespräch ist, dachte er. Sondern ein Verhör.
Jedenfalls im Ergebnis. In dem, was er sich von der Begegnung mit dem Traumfänger erhoffte.
Er biss die Zähne zusammen und beobachtete, wie Maja Werden und der Arzt sich entfernten, Seite an Seite. Wie es aussah, ließ sie sich Seidels Fürsorge gerne gefallen.
Kopfschüttelnd wandte Albrecht sich ab und betrachtete einen mintgrünen Streifen, der in Hüfthöhe an der Wand entlanglief, oberhalb ein sanft violettes, unterhalb ein altrosanes Gegenstück. Der mintgrünen Markierung sollten sie folgen, zur Station 62.b, der Station innerhalb der Abteilung, auf der diejenigen Patienten untergebracht waren, deren Genesung bereits die weitesten Fortschritte gemacht hatte.
Bei Bedarf könnten sie sich vor Ort an das Stationspersonal wenden.
Albrecht nickte der Kommissarin zu.
Doch Friedrichs blieb stehen.
«Also kein Verhör?», fragte sie.
Albrecht schüttelte den Kopf. «Verhör, Gespräch, Unterhaltung. Können Sie mir verraten, wo der Unterschied liegt, solange wir nicht wissen, was wir überhaupt wollen von dem Mann? – Wir wissen drei Dinge. Erstens: Er kann nicht der Täter sein. Zweitens: Der Täter hat auf ihn verwiesen, also muss er irgendwie mit dem Fall zu tun haben, und drittens: Unser Täter wäre alles andere als erbaut, wenn er wüsste, dass wir jetzt schon Gelegenheit haben, mit Freiligrath zu sprechen. Und das, Hannah, ist unsere Chance. Dieser Mann weiß etwas. Etwas, das uns helfen kann.» Er zögerte. «Wobei es ein Problem darstellen könnte, dass wir nicht wissen, ob er seinerseits …»
«Ob er weiß, dass er weiß.» Friedrichs nickte. «Ob er weiß, dass er eine Rolle im Plan unseres Täters spielt.»
Albrecht neigte knapp den Kopf. «Exakt. Und auch wir wissen lediglich,
dass
er eine Rolle spielt, aber wie sie aussieht … Ob er ein Mitverschwörer ist oder ob die Taten von einem seiner Bewunderer begangen wurden und er so ahnungslos ist wie wir selbst: Alles ist möglich, und ein halbes Dutzend andere Zusammenhänge mehr. Schon deshalb wäre es schwierig, ein klassisches Verhör zu führen.
Dieser Mann hat uns etwas zu sagen, wie die Aktentasche im Institutsflur mir etwas zu sagen hatte. Und was immer es ist: Unser Täter will, dass wir es erfahren, doch noch nicht zu diesem Zeitpunkt. Und
das
ist unsere Chance.
Alles andere … Selbst wenn er uns auf die Nase binden sollte, dass er sich erneut strafbar gemacht hat – was ich für unwahrscheinlich halte: Der Mann sitzt in einer psychiatrischen Einrichtung. Was wäre ein solches Geständnis wert? Kein Staatsanwalt käme vor Gericht mit so etwas durch. Stellen Sie sich vor, auf der anderen Seite sitzt jemand vom Schlage unseres Freundes Merz.»
Friedrichs zuckte kurz zusammen.
«Schlechte Karten», brummte Albrecht. «Ich weiß. Um ehrlich zu sein: Ob wir Freiligrath irgendwas nachweisen können, interessiert
Weitere Kostenlose Bücher