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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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gestrichenen Wände selbst strahlten eine Abwehr aus. Das schmerzhaft grell blinkende Licht für den Schwesternruf über einer Tür zur Rechten.
    Zwei Pfleger schoben sich grußlos an ihm vorbei, gestresste Gesichter.
    Ein schmaler Grat, dachte der Hauptkommissar. Wir balancieren auf einem schmalen Grat. Der Abgrund gähnt auf allen Seiten.
    Wie hatte Maja gesagt? Bewegen Sie sich wie selbstverständlich!
    Du bist auf dem Weg zu einem ganz gewöhnlichen Besuch bei Max Freiligrath. Eine weitere Detailfrage zu deiner Ermittlung.
    Am Informationstresen lehnte eine Gestalt in einem fliederfarbenen Kittel.
    Albrecht wurde automatisch langsamer.
    Der Mann blickte auf und …
    Nein, es war nicht Seidel. Ein älterer Mediziner, den Albrecht nicht kannte.
    Der Hauptkommissar nickte ihm im Vorbeigehen zu.
    Beweg dich wie selbstverständlich.
    Wolfram an seinem Arm schien Zentner zu wiegen.
    Konnte das psychologisch geschulte Personal übersehen, dass er ein menschliches Wrack mit sich herumschleppte?
    Mussten die Leute nicht misstrauisch werden?
    Albrecht spürte den Blick des Arztes auf seinem Rücken, und ein Schweißtropfen löste sich von seinem Haaransatz, rann kitzelnd über die Stirn.
    Niemand bekam es mit. Der Flur vor ihnen war leer, an der Wand ein halbes Dutzend farbiger Linien.
    Mintgrün – die Strecke zur Station 62.b, Freiligraths Station – führte weiter geradeaus, Ocker verschwand linker Hand in einem Seitengang.
    Die Treppe. Die Treppe zum Keller.
    Verfolgte der Arzt noch immer ihre Bewegungen, misstrauisch, die Finger schon nach dem Handy ausgestreckt, um Seidel zu verständigen?
    Vorsichtig dirigierte Albrecht seinen Vorgänger nach links.
    Drei Schritte, vier. Jetzt konnten sie vom Hauptflur aus nicht mehr gesehen werden.
    Der Hauptkommissar blieb stehen. Nichts rührte sich im langgestreckten Korridor. Er spürte, wie die Anspannung von ihm abfiel.
    Doch jetzt gab es kein Zurück mehr.
    Sie haben Neverding vergessen.
    Friedrichs hatte recht. Er
hatte
Neverding vergessen.
    Doch es stimmte nicht, dass Freiligrath ihm eine falsche Geschichte erzählt hatte. Das Bild des Falles, wie es sich jetzt darstellte, die These um ein Fehlurteil: Dieses Bild hatte Albrecht selbst entworfen.
    Doch Freiligrath hatte nicht widersprochen.
    Und er wusste von Neverdings Tod.
    Konnte Neverding die Lösung sein, der alternative Täter von damals, dem Jörg Albrechts Täter die Verantwortung für die Morde des Traumfängers anlastete?
    Nein, unmöglich. Die Serie der Morde führte nicht zu Neverding. Wenn Martin Euler recht hatte, hatte sie mit Neverding
begonnen
.
    Welchen Sinn ergaben all die anderen Morde, wenn ihr Täter seinen Verdächtigen als Ersten gerichtet hatte?
    Jörg Albrecht drehte sich zu Wolfram.
    Der ältere Mann hatte kein Wort gesagt, seitdem er aus seinem Wohnmobil geklettert war. Albrecht spürte eine tiefe Unruhe. Er war angewiesen auf die Erinnerungen, die im Gedächtnis dieses Mannes verborgen lagen. Und Wolfram
konnte
sprechen. Mit Friedrichs musste er sich unterhalten haben.
    Wenn er jetzt schwieg …
    Angst.
    Die Erklärung war mit Händen greifbar.
    Der Hauptkommissar suchte den Blickkontakt. «Herr Wolfram, bitte hören Sie mir jetzt ganz genau zu!»
    Eine Veränderung in den halb verschleierten Augen?
    «Focco Neverding», sagte Albrecht. «Denken Sie zurück, Herr Wolfram! Denken Sie zurück an Ihre Ermittlungen: Hat Focco Neverding irgendeine besondere Rolle gespielt?»
    Gedanken, die sich mühsam einen Weg an die Oberfläche bahnten. Eine winzige Bewegung des Kopfes, die alle Kraft zu kosten schien.
    «Es ist … gleichgültig, welche Namen Sie nennen», presste der ältere Mann hervor, mit einer Stimme, bei der sich die Haare auf Albrechts Armen aufstellten. «Er hatte Helfer, doch ihre Namen sind bedeutungslos. Es ist … eine Sache zwischen ihm und mir. Alles andere ist bedeutungslos.»
    Albrecht biss die Zähne zusammen.
    «Herr Wolfram, es gibt einen Grund, aus dem ich Sie heute Abend dabeihaben möchte. – Dabeihaben muss. Und es ist
nicht
meine Absicht, Sie Freiligrath als Menschenopfer zuzuführen. Wir sind nicht seiner Willkür ausgeliefert, auch wenn ich mir sicher bin, dass er versuchen wird, genau diesen Eindruck zu erwecken.
    Mein Täter, Herr Wolfram … Mein Täter tötet Menschen, die in einem Bezug zu Ihrer Ermittlung standen, und ich glaube, dass sein Motiv Rache ist. Rache allerdings nicht an Max Freiligrath, sondern Rache für das damalige Urteil, das er für

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