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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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meinem Kopf. Doch ich hatte die Frau von Anfang an nicht ausstehen können, und das bedeutete, dass ich doppelt vorsichtig sein musste.
    Vorsichtig? Sie befand sich in diesem Moment in einem abgeschotteten Gebäude – gemeinsam mit Albrecht, Horst Wolfram und dem Traumfänger! Der finstere, unbekannte Täter, für den wir uns die Beine in den Bauch standen, hatte sich nicht blicken lassen. Stattdessen Joachim Merz. Und mein Ehemann.
    Der Täter, der von außen kommen
musste
, wie Cornelius mir den Gedankengang unseres Chefs referiert hatte. Die Personalien sämtlicher Stationsmitarbeiter waren per Computer abgeglichen worden.
    Aber Maja Werden war keine Mitarbeiterin!
    Trotzdem ging sie auf der Station ein und aus.
    Und schrieb ihre Doktorarbeit über Insassen in Sicherungsverwahrung.
    Über Männer wie Max Freiligrath.
    «O mein Gott», flüsterte ich.
    «Frau Friedrichs?»
    «Herr Wolczyk …» Meine Gedanken überschlugen sich. Konnte der Mann mir noch irgendwie helfen?
    Könnten Sie sich eventuell vorstellen, dass Ihre Nichtfreundin in Wahrheit eine psychopathische Serienmörderin ist?
    «Danke für den Anruf», murmelte ich. «Ich glaub, das war wichtig.»
    Und legte auf.
    «Ist was nicht in Ordnung?» Dennis sah mich unbehaglich an.
    «Frag mich, was in Ordnung
ist
», murmelte ich.
    Kurzwahl. Das Revier.
    «Hannah?» Wieder Nils Lehmann. «Ich wollte dich auch gerade anrufen. Sie sind jetzt drin in dem Gebäude …»
    «Ist dein Rechner an?»
    «Was?»
    «Das Rechtspsychologische Institut in Braunschweig! Die müssen eine Internetseite haben! Sag mir, ob es da ein Foto von Maja Werden gibt!»
    Er stellte keine Fragen mehr. Ich hörte ihn tippen.
    Sekunden verstrichen.
    «Ich hab die Seite …» Gemurmelt. «Öffnungszeiten … Aufgaben … Hier, Personal und … Hui, die sieht ja gefährlich aus.»
    Stimmt, er hatte die Frau noch nicht gesehen.
    «Möglicherweise ist sie das auch», sagte ich. «Nils, ich möchte, dass du dieses Foto ausdruckst und damit auf der Stelle ins
Fleurs du Mal
zu Jacqueline …»
    «Die wird aber arbeiten …»
    «Das ist mir scheißegal!», brüllte ich.
    Eine deutlich gehobene Augenbraue von meinem Ehemann – die andere war unsichtbar unter dem Turban, den ich ihm angelegt hatte.
    «Wenn sie gerade einen Kunden hat, ist der sowieso gefesselt», sagte ich etwas leiser. «Druck das Foto aus! Zeig es ihr!»
    Schweigen. Dann: «Du denkst,
das
ist …» Ein Atemzug.
«Catwoman?»
    «Druck’s aus!», knurrte ich.
    «Nein …» Ein Rascheln. «Nein, Jacqueline hat ein Netbook. Warte, ich ruf sie an! Eine Minute!»
    Kriminalhauptmeister Lehmann war offenbar im Besitz der Durchwahl der jungen Dame. In seinem Handy vermutlich.
    Murmeln am anderen Ende der Verbindung.
    Dennis sah mich aus großen Augen an.
    Ich biss die Zähne zusammen und lauschte.
    Rascheln.
    «Ja.» Knapp. «Sie ist es.»
    Ich ließ das Handy sinken.
    «Verdammt!», flüsterte ich.
    ***
    «Nun, mein lieber Herr Albrecht», hörte der Hauptkommissar die Stimme des Traumfängers. «Wenn meine Wahrnehmung mich nicht täuscht, haben Sie es nunmehr realisiert. Richtig! Darf ich vorstellen: Ihre Täterin.»
    Der Schlag, den die Worte ihm versetzten, kam erwartet.
    Jörg Albrecht spürte ihn dennoch.
    «Und wieder können Sie sehen, dass ich mein Wort halte», fuhr Freiligrath fort. «Hatte ich Ihnen nicht versprochen, dass wir Ihren Fall vor Ende dieses Abends klären würden? Keine Sorge, zu den Details werden wir noch kommen: Motiv, Gelegenheit, Mittel und so weiter. Für den Moment …»
    Er ließ den Blick zur Seite wandern, und im selben Augenblick stellte Albrecht fest, dass er sich wieder bewegen konnte. Er zwang sich, in Horst Wolframs Richtung zu sehen.
    Tot. Der graue Mann atmete noch, sein Herz schlug, doch der Hauptkommissar hatte Zweifel, dass jene Essenz des menschlichen Wesens, die man Bewusstsein nennen konnte oder, altmodisch, Seele, bei Horst Wolfram noch vorhanden war.
    Der Körper des ehemaligen Ermittlers saß – hing – im Korbsessel.
    Doch es war niemand mehr zu Hause.
    Jörg Albrecht hatte sich niemals vorstellen können, wie ein Mensch
einfach so
sterben konnte. Aus Angst. Weil sein größter Albtraum Wirklichkeit wurde.
    So also sieht das aus.
    Eine Sekunde lang war auch er selbst nichts als ein distanzierter, voyeuristischer Beobachter.
    Die Seele stirbt, dachte er. Und der Rest folgt ihr.
    Er betete, dass sie bei Horst Wolfram tatsächlich unwiderruflich verloschen

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