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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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hinter mir.
    Erst jetzt kam er zögernd näher. «Nils», murmelte er. «Leuchte das mal an!» Der Leichenexperte deutete auf das Bündel, nein – ich kniff die Augen zusammen –, auf den Grabstein, kaum mehr als eine schlichte Tafel, an der die Tote lehnte.
    Nils Lehmann ließ den Lichtkegel seiner Lampe über die Inschrift wandern:
    Gustav Hertz
    Professor der Physik
    Nobelpreisträger
    Darunter die Lebensdaten.
    Für einen Nobelpreisträger sah die gesamte Umgebung ziemlich schäbig aus.
    Euler machte noch einen Schritt, dann blieb er stehen und blies sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Seine Augen waren auf Kerstins Leichnam gerichtet.
    «Das ist kein Zufall.» Er flüsterte; es klang fast andächtig. «Das ist … unglaublich. – Ole Hartung ist in diesem Fetischclub gestorben – auf genau die Weise, wie man das in so einem Laden erwarten könnte. Oder eher … befürchten. Wie ein präpariertes Objekt in einer Versuchsanordnung. Und das hier, das … Es ist genau dasselbe! Es gibt einen Grund, warum sie gerade hier liegt!»
    «Sie ist tot, Martin.» Faber strich sich über die Glatze. Seine Stimme kippte. «Verdammt, auf dem Friedhof sind
alle
Leute tot.»
    «Nein», murmelte Euler. «Das meine ich nicht. Diese Verletzungen … Ihr Zustand … Vor ein paar Stunden war sie noch kerngesund! Es gibt nur eine Handvoll physiologischer Prozesse, die derartige Veränderungen in einer solchen Geschwindigkeit bewirken können. Ein anaphylaktischer Schock oder … Aber …» Heftig schüttelte er den Kopf. «Seht ihr nicht, wie alles zusammenpasst? Der Grabstein! Gustav Hertz’ Elektronenstoßversuche zählen zu den wichtigsten Grundlagen der Bohr’schen Atomtheorie!»
    Noch immer begriff ich nicht, doch Martin Euler verdrehte die Augen.
    «Ausschläge, großflächige Läsionen der Haut, und das in so kurzer Zeit – das sind Symptome der atomaren
Strahlenkrankheit
! – Hauptkommissar? Bitte, Sie müssen sofort den Zivilschutz informieren! Wir müssen das gesamte Gelände hermetisch abriegeln!»
    ***
    Drei Stunden später.
    Drei Stunden, die anmuteten wie ein bizarrer Traum.
    Mit dem Unterschied, dachte Jörg Albrecht, während er seinen Privatwagen der Reihenhaussiedlung nahe der Landesgrenze zu Schleswig-Holstein entgegenlenkte, mit dem Unterschied, dass Träume vorbei waren, sobald man erwachte, und im schlimmsten Fall einen unangenehmen Geschmack weit hinten auf der Zunge hinterließen, der einen hartnäckig durch den Tag begleitete.
    Dieser Traum war nicht vorbei.
    Albrecht schüttelte den Kopf, rief sich die Bilder dieses Abends ein letztes Mal ins Gedächtnis zurück. Eine Notwendigkeit, wenn er sie einordnen, sie ablegen wollte bis zum nächsten Morgen.
    Der Strahlenschutztrupp in ABC -Kluft, astronautenhafte Wesen, die sich langsam und vorsichtig bewegten, als könnte jeder Fehltritt sie schnurstracks in die unendlichen Weiten des Alls befördern.
    Where no man has gone before.
    Mit bedächtigen Schritten hatten sie die Überreste Kerstin Eberts und ihres ungeborenen Kindes umkreist und mit ihren sciencefictionhaften Instrumenten die Strahlenintensität gemessen. Hätten sie noch kleine weiße Puschelschwänzchen getragen, wäre der surreale Albtraum vollkommen gewesen.
    Doch nach einer halben Stunde hatten sie ihre Raumanzüge abgelegt, und der Chef des Kommandos hatte sich bemüht, dem Hauptkommissar die Details zu erklären: Alpha-, Beta- und Gammastrahlen, Äquivalentdosen, radioaktive Zerfallsprozesse und Halbwertzeiten – und warum vom Leichnam einer Frau, die einer immensen Dosis radioaktiver Strahlung ausgesetzt gewesen war, wenige Stunden später keine Gefahr mehr ausging.
    Einem Menschen, der frisch aus dem Röntgenlabor kommt, gehen Sie ja auch nicht aus dem Weg.
    Dieser eine Satz war Jörg Albrecht gut im Gedächtnis geblieben. Er hatte sich höflich bedankt und beschlossen, den Rest des Gehörten auf der Stelle zu vergessen.
    Eine Strahlungstote mitten in Hamburg. Gefährlich oder nicht: Ihm war klar gewesen, dass das ausreichen würde, um in der Stadt eine Hysterie auszulösen.
    Die Nachrichten im Autoradio waren Beweis genug, dass dieser Prozess bereits im Gange war.
    Und der Umstand, dass seine Schwester in den vergangenen beiden Stunden vier Mal versucht hatte, ihn mobil zu erreichen.
    Morgen musst du sie zurückrufen, dachte er und veränderte den Griff ums Lenkrad. Leta war evangelische Pastorin und eine Seele von Mensch, doch seit seiner Scheidung nahmen die

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