Ich bin der Herr deiner Angst
sanierten Hütte, die Dennis wichtiger war als unsere Ehe.
Ich war unfair, und das war mir klar.
Doch wenn man auf einen Stau auffährt und plötzlich feststellt, dass da im Hinterkopf ein paar ganz seltsame Gedanken aufsteigen wie Gasblasen in einem trügerischen Tümpel …
Wenn
er
plötzlich in dem Volvo da vorne sitzt und du anhalten musst, dann kannst du nicht weg.
Nein:
Er
muss gar nicht hier sein. Du fährst in diesen Stau und tauchst in den Tunnel ein. Er verschlingt dich wie der Rachen eines Untiers und spuckt dich nie wieder aus. Du wirst ganz einfach
verschwinden
.
… dann sucht man sich ganz schnell was anderes, damit der Kopf bloß was zu tun hat.
Meine Finger griffen nach dem Handy. Es war ausgeschaltet.
Ich fluchte. Das Gespräch mit Raoul. Ich hatte auf keinen Fall gestört werden wollen. Unter Garantie hatte unser Herr und Meister schon tausend Mal …
Standing on a beach with a gun in my hand
Staring at the sea, staring at the sand
«Ja?» Ich klemmte das Gerät zwischen Schulter und Ohr. Jetzt war der Bahnhof über mir. Gefangen im Beton, inmitten der Blechlawine.
«… verdammt sind Sie die ganze Zeit gewesen? … sind Sie jetzt …»
«Am Steuer», antwortete ich, und, was auch immer mir das eingab: «Und selbst?»
«… verfluchte Faber mich langgeschickt … Landstraße mit dem Verkehrsaufkommen von einer … Maut sparen!»
Ich kniff die Augen zusammen. Wo steckte der Mann?
Im nächsten Moment ruckte der Verkehr wieder an. Es ging bergauf, vor mir abendgrauer Himmel. Die Last auf meiner Brust wurde leichter.
«Was hat Ihre Befragung ergeben?» Albrecht klang bereits deutlicher.
Entspannter klang er nicht.
«Nicht viel», murmelte ich. «Möglicherweise verstellt er seine Stimme. Eine Brille trägt er offenbar tatsächlich – wohl eine Hornbrille – und vielleicht hat er einen Augenfehler.»
«Könnte erklären, warum er die Brille trägt!», knurrte es aus dem Gerät. «Also unterm Strich ein Schlag ins Wasser.»
Konnte ich widersprechen?
«Wie ist Ihr Termin mit der Lorentz gelaufen?»
«Sie schickt mich zum Psychiater.»
Ein wütendes Hupen hinter mir. Ich war auf die Bremse gegangen, ohne es zu merken.
«Was?»
«Professor Möllhaus, Universität Braunschweig. Externer Sachverstand. Ich hänge hinter einem litauischen Möbeltransporter zwischen Lüneburg und Schlagmichtot. Friedrichs, wie lange brauchen Sie nach St. Georg?»
«Was?»
Diesmal trat ich noch etwas heftiger auf die Bremse, setzte aber gleichzeitig den Blinker nach rechts. Wenige hundert Meter vor dem Kreuz Süd gab es eine letzte Ausfahrt: die IKEA -Ausfahrt, offiziell Hamburg-Moorfleet.
«Das ist mitten in der Stadt!», sprach ich ins Handy. «Ich habe fünf Nachtschichten hinter mir.»
«Gestern Nacht hatten Sie frei.»
Und heute habe ich dafür gearbeitet, dachte ich. Ich war tot. Bis zu diesem Augenblick war mir nicht klar gewesen, wie erschöpft ich tatsächlich war.
Ich wollte einfach nur nach Hause und würde gar nicht merken, dass Dennis nicht da war, weil ich auf der Stelle besinnungslos ins Bett kippen würde.
«Haben Sie Margit Stahmke heute gesehen?», erkundigte sich Albrecht unvermittelt.
«Mar…» Inzwischen befand ich mich auf der Ausfädelspur.
Margit Stahmke. Ja, ich hatte Stahmke gesehen: Heute Morgen, auf dem Revier, als ich mit Joachim Merz zusammengestoßen war. Aber vor dem Haus der Eberts: Übertragungsfahrzeuge sämtlicher großer Stationen, der Jahrmarktstand von Kanal Sieben – doch kein Kanal Neun. Keine Margit Stahmke.
«Sie hat den größten Teil des Tages im Studio verbracht, um schlecht über uns zu reden», kam es aus dem Handy. «Offenbar gab es keine neuen Nachrichten von ihrem Informanten. Bis vor einer halben Stunde. Jetzt ist sie in St. Georg unterwegs. Die genaue Adresse bekommen Sie, sobald sie anhält.»
Ich stellte fest, dass ich mich auf dem rechten Fahrstreifen eingeordnet hatte: Richtung Billwerder Ausschlag, Rothenburgsort – und St. Georg.
Doch ich begriff nicht. St. Georg? Woher wollte Albrecht das wissen, wenn er auf dem platten Land unterwegs war? Lehmann und Winterfeldt hatten sich Ole Hartungs Rechner vornehmen sollen, Faber, Matthiesen, Seydlbacher die zurückliegenden Fälle. Der Rest prüfte Hinweise aus der Bevölkerung, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ins Nichts führen würden.
«Woher wissen Sie das?», fragte ich misstrauisch.
«Wenn ich einen unserer Beamten abgestellt hätte, um die Zecke
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