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Ich bin die, die niemand sieht

Ich bin die, die niemand sieht

Titel: Ich bin die, die niemand sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berry
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näher an dich heran und versuche, dir durch meinen Blick so viel Kraft zu geben wie möglich.
    Du siehst mich an.
    »Hat mein Vater dir wehgetan?«
    LXXXI
    Ich lasse deine Hand los.
    LXXXII
    Nichts zu sagen ist auch eine Art Antwort.
    Eine Lüge könnte dich schützen. Würdest du glauben, was du glauben willst?
    Die Wahrheit würde mich verabscheuungswürdig erscheinen lassen. Noch mehr, als ich es ohnehin schon bin.
    Aber ich habe geschworen, dir die Wahrheit zu sagen.
    Und du willst, dass ich es dir erzähle.
    LXXXIII
    Schlimmer noch, dies war der Grund für deinen Besuch bei uns zu Hause.
    Und ich bin eine Närrin.
    LXXXIV
    In deinen Augen stehen Verzweiflung und Kummer. Verlangen und schreckliche, fürchterliche Angst. Ich habe diesen Blick schon einmal gesehen. Nicht hier und nicht in deinen Augen.
    Im Schein der Kerze sehe ich ihn in deinem Gesicht.
    LXXXV
    »Oder hat er dich gefunden«, flehst du, »und deine Wunden versorgt?«
    LXXXVI
    Er hat mich gefunden. Er hat meine Wunden versorgt.
    LXXXVII
    Lucas. Dir hätte ich mich zu Füßen geworfen. Dir zuliebe hätte ich gelogen, wenn ich die Worte dafür gehabt hätte.
    Aber diese Frage kann ich dir nicht beantworten. Nicht einmal um deinetwillen kann ich es tun. Früher oder später würdest du mich wegen der Wahrheit hassen, falls du es nicht schon längst tust. Aber – und das wiegt noch schwerer – entgegen jeder Vernunft bin ich mir selbst zu wichtig.
    Du willst, dass ich antworte. Du willst die Sünden deines Vaters begreifen und von deinen Ängsten befreit werden, selbst auf meine Kosten. Muss ich mich erneut entblößen, um einen Mann von seinem Leid zu befreien?
    Ich wische mir eine Träne weg. Ich wollte nicht, dass du sie siehst. Aber du hast sie gesehen und dein Blick verrät dich. Du fühlst Schuld und Entsetzen angesichts deiner Worte.
    Das kann mich nicht trösten.
    Immer noch fixierst du mich ängstlich. Doch langsam scheinst du zu verstehen.
    Ich stehe auf und gehe.
    LXXXVIII
    Du rufst mir nach, bittest mich zu bleiben. Doch ich höre nicht auf dich.
    Meine Füße tragen mich heimwärts, obwohl mir gleichgültig ist, ob sie es tun oder nicht. Niemand dort muss meine Tränen sehen oder mein Schluchzen hören. Der Wind dringt durch mein Nachthemd. Ist es kälter geworden, seit ich den Weg hierher angetreten habe, oder scheint mir das nur so?
    Ich höre wieder Schritte. Du musst mir nachgelaufen sein. Bestimmt willst du dich entschuldigen. Ich laufe schneller, dann beginne ich zu rennen und erreiche unsere Haustür. Ich habe jetzt keine Lust auf deine Höflichkeiten.
    Wie albern von mir! Was habe ich mir nur vorgestellt! Wie konnte ich glauben, du wolltest mit deinem Besuch trotz allem Interesse an mir signalisieren?
    Dem Rest der Welt bin ich gleichgültig, aber du warst immer freundlich zu mir. Ich dachte, du respektierst mich. Du machtest mich glauben, dass ausgerechnet du dir nicht die ganze Zeit die Frage stelltest, was mit mir geschehen sein mochte.
    Aber das ist keine Entschuldigung für die Tatsache, dass ich dir mein Herz geschenkt habe. Und es ist nicht deine Schuld, dass du es gebrochen hast.
    LXXXIX
    Ich werde in die Hütte des Colonels ziehen. Ich werde mein Versprechen dem Toten gegenüber halten und doch keinen Schaden dadurch erleiden. Fee und ich werden einander Gesellschaft leisten. So muss ich Mutters Verachtung nicht länger ertragen. Und ich muss niemals in deinen Augen das Wissen darum sehen, dass ich mich vor dir erniedrigt habe und dass dein Vater mich für immer gezeichnet hat.

D RITTES B UCH
    I
    Ich knalle mit der Tür. Mutter und Darrel schrecken auf.
    »Mmm«, sage ich, damit sie wissen, dass ich es bin.
    Darrel legt sich wieder hin. Mutter rührt sich eine ganze Weile nicht – das merke ich an der Stille –, aber schließlich legt auch sie sich hin.
    Ich ziehe Mantel und Stiefel aus und krieche unter die Decke.
    Darrel fängt an zu schnarchen.
    Mein Körper ist schwer und wund vor Schmerz. Ich würde gern einschlafen, finde aber keine Ruhe. Die Stille und die Dunkelheit erdrücken mich. Am liebsten würde ich noch in dieser Nacht den Fluss überqueren und zum Haus des Colonels laufen. Aber das ist lächerlich.
    Doch ich werde gehen und dann werde ich lernen, dich zu vergessen.
    Ich habe Witwenrechte auf alles, was dein Vater hinterlassen hat. In seiner Hütte starb das junge Mädchen namens Judith und in seiner Hütte wurde ich geboren. Soll ich also nicht nach Hause zurückkehren?
    Das Mädchen Judith war

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