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Ich bin die, die niemand sieht

Ich bin die, die niemand sieht

Titel: Ich bin die, die niemand sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berry
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und antwortet nicht. Benimm dich, Mutter, um Himmels Willen. Nach allem, was du für uns getan hast! Ich schäme mich für ihre Unhöflichkeit.
    Und dann sagst du: »Könnte ich vielleicht allein mit Ihrer Tochter sprechen?«
    LXXV
    Ich sehe nur, wie die Sonne durch die Tür scheint.
    Hätte ich eine richtige Zunge, sie wäre staubtrocken.
    LXXVI
    Mutters Rücken wird stocksteif.
    »Mit meiner Tochter sprechen ?« Sie betont das Wort nur leicht, aber der Sarkasmus verletzt mich. Von unseren Müttern lernen wir schon als Kinder, wie aus Worten Küsse oder Flüche werden.
    Mutter knallt die Tür gegen die Wand. Ich springe zur Seite, um nicht erschlagen zu werden.
    »Kommen Sie herein«, sagt sie gleichgültig. »Sie ist hier«, sagt sie mit einer Kopfbewegung in meine Richtung. Dann wendet sie sich wieder der Wäsche zu, auf dem Tisch steht ein Kübel mit blutigen Verbänden. Sie rührt darin und hebt den Stoff zum Abtropfen hinaus.
    Mein Herz, lass mich jetzt nicht im Stich.
    Du kommst herein.
    Du musst dich bücken, um durch die Tür zu kommen. Als du dich wieder zu voller Größe aufrichtest ist es, als fülltest du den gesamten Raum.
    Ich richte mich auf wie vorhin Mutter. Ich zwinge mich, auf dich zuzugehen. Aber ich schaffe es nicht, meine Hand nach deiner auszustrecken. Nicht während sie hier ist.
    »Ich hatte gehofft, sie alleine sprechen zu können.« Deine Worte richten sich an meine Mutter, aber deine Augen sind nur bei mir.
    »Geheimnisse sind bei mir genauso gut aufgehoben wie bei ihr.« Mutter rührt im Wascheimer, als handele es sich um Suppe. »Was immer Sie zu sagen haben, können Sie hier sagen.«
    Ich könnte meine Mutter würgen. Ich bin zum Zerbersten gespannt. Hier stehst du und stattest mir einen Besuch ab. Sieht man mir an, dass ich innerlich zittere?
    Du siehst verwirrt aus, ängstlich, hin- und hergerissen. Warum bist du so unsicher? Wenn ich du wäre, würde ich jeden Moment genießen. Aber weder deine muskulösen Beine noch deine starke Brust können deine Sorgen lindern.
    Du nestelst an deinem Hut.
    »Guten Tag Ihnen beiden«. Mit diesen Worten gehst du hinaus.
    Ich rufe dir nach. »War-!«
    Mutter knallt die Tür zu und sieht mich böse an.
    LXXVII
    Durch das Fenster sehe ich dich fortgehen. Du gehst langsam, wirkst nachdenklich, bleibst sogar einmal stehen. Kommst du zurück?
    Nein. Ich lehne mein Gesicht gegen die kalte, feuchte Scheibe.
    »Renn ihm nicht hinterher.« Mutter lässt einen Klumpen Stoff zurück in den Eimer fallen.
    Das ist das Letzte, was sie an diesem Tag zu mir sagt.
    LXXVIII
    Heute geht Mutter erst weit nach Mitternacht zu Bett und es dauert eine Ewigkeit, bis sie eingeschlafen ist. Ich stelle mich schlafend, doch das ist gefährlich, denn während ich darauf wartete, dass Mutter einschläft, hat mich oft genug selbst der Schlaf übermannt. Doch heute wird das nicht geschehen. Nicht, nachdem du zu mir gekommen bist. Nicht, nachdem ich den ganzen Tag gegrübelt habe und dabei fast verrückt geworden bin. Die Frage nach dem Warum quält mich auf schreckliche und zugleich schöne Weise. Es gelingt mir kaum noch, Mitleid für Darrel aufzubringen. Wie kann es jemand anderem schon schlecht gehen, wenn ich selbst mich so lebendig fühle?
    Endlich wird ihr Atem ruhig und regelmäßig. Doch ich warte immer noch. Ich bin gut darin, obwohl es mich heute Nacht fast verrückt macht.
    Das Zimmer liegt in tiefster Dunkelheit. Kalt dringt die Nachtluft durch das Fenster an meinem Bett. Darrel stöhnt im Schlaf. Draußen bellen die Kojoten.
    Ich stehe auf und halte inne. Doch Mutter rührt sich nicht.
    Ich binde meine Schuhe und ziehe einen Mantel an. Mutter merkt immer noch nichts.
    Falls etwas mich verrät, wird es die knarzende Tür sein. Vorsichtig taste ich mich heran. Mutter hat eine Schüssel mit trockenen Bohnen vor die Tür gestellt. Eine Falle.
    Ich bin achtzehn. Alt genug, um zu heiraten und einen eigenen Haushalt zu führen. Wenn sie sich so für mich schämt, warum will sie mich dann für immer hierbehalten? Sicher nicht, weil ihr meine Gesellschaft so gut gefällt.
    Vorsichtig schiebe ich die Bohnen beiseite. Die Tür zu entriegeln und aufzudrücken dauert eine gefühlte Stunde. Endlich trete ich hinaus in die Nacht und spüre den Wind in meinem langen Haar. Es ziemt sich nicht für mich, ohne meine Haube und mit offenen Haaren zu dir zu kommen. Der Gedanke daran macht mich ganz trunken.
    Ich schließe die Tür und mache ein paar leise Schritte. Sobald ich außer

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