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Ich bin die Nacht

Ich bin die Nacht

Titel: Ich bin die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ethan Coss
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kein Mörder«, sagte Marcus.
    »Das behaupten sie alle.«
    »Hören Sie mir doch zu! Es gibt einen Grund, weshalb der Sheriff nicht will, dass Sie mit mir reden.«
    »Und welchen?«, fragte der Trooper.
    »Weil er der Mörder ist. Er versucht mich zu töten, weil ich ihn entlarvt habe.«
    Der Mann lachte. »Ja, klar. Ich hab mir gleich gedacht, dass diesmal nicht der Gärtner, sondern der Sheriff der Mörder ist.«
    »Ich habe Maureen Hills Leiche gefunden, weil ich mich ihr vorstellen wollte. Ich bin ihr neuer Nachbar. Aber am Tatort habe ich Ungereimtheiten entdeckt und den Sheriff angerufen. Erst dann habe ich erfahren, dass die Ungereimtheit darin bestand, dass der Sheriff bereits den richtigen Mörder gefasst hatte – Francis Ackerman. Von dem haben Sie doch schon mal gehört, oder?«
    Der Beamte antwortete nicht. Marcus konnte nicht sagen, ob das Ausbleiben einer sarkastischen Entgegnung bedeutete, dass er ihn überzeugt hatte, oder ob der Mann einfach nicht mehr reden wollte.
    »Der Sheriff wollte Ackerman umbringen, ohne Prozess und ohne Urteilsspruch. Das ist Lynchjustiz. Ich bin über den ganzen Schlamassel gestolpert, und jetzt will er mich aus dem Weg räumen. Wenn Sie mich bei ihm abliefern, bin ich ein toter Mann. Das ist Beihilfe zum Mord, verdammt noch mal!«
    »Was für ein Schwachsinn. Warum sollte der Sheriff so etwas tun?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht aus Machtgier. Vielleicht aus Frust, weil er vom FBI-Mann zum Kleinstadtsheriff wurde. Vielleicht schnürt er sich einfach nur die Schuhe zu fest. Oder die Mitschüler in der Highschool haben seinen Kopf zu oft in die Kloschüssel getunkt. Ich weiß nicht, wieso er es tut! Aber ich weiß, dass ein Polizeibeamter das Gesetz zu befolgen hat. Er darf das Gesetz nicht beugen, wie es ihm passt. Der Sheriff hat sich selbst zum Richter aufgeschwungen. Es geht nicht um die Frage, ob Ackerman den Tod verdient hat. Es geht darum, dass der Sheriff nicht darüber zu entscheiden hat. Er spielt Gott.«
    Der Trooper blickte Marcus im Innenspiegel an. »Ein Cop sollte nicht Gott spielen«, sagte er. »Ein Cop ist wie ein Hirte. Manchmal muss er die Wölfe vertreiben, um die Herde zu schützen.«

17.
    Mommy, da ist ein böser Mann in meinem Schrank.
    Alice runzelte verwundert die Stirn. Der leise, eingeschüchterte Tonfall war ungewöhnlich für ihren Sohn. Er klang verängstigt.
    Lucas war ein typischer sechseinhalb Jahre alter Junge mit einer Vorliebe für Schabernack und zwei Lieblingsbeschäftigungen: seine kleine Schwester zu ärgern und mit seinen Action-Figuren zu spielen. Er war ungestüm und geriet ständig in Schwierigkeiten. Alice hatte ihn nur selten zaghaft oder ängstlich erlebt; deshalb tat sie seine Behauptung als Produkt seiner überaktiven Fantasie ab. Dennoch überlief sie beim ungewohnten Klang seiner Stimme eine Gänsehaut.
    »Unsinn, Schatz«, sagte sie, »da ist niemand im Schrank. Du bist hier ganz sicher. Außerdem sind Daddy und ich da und beschützen dich. Jetzt schlaf weiter, sonst weckst du deine Schwester.«
    »Aber da ist wirklich jemand in meinem Schrank!« Lucas’ Stimme bekam einen Beiklang von Panik. »Ich hab gesehen, wie er in der Tür stand, und dann hab ich mich unter der Bettdecke versteckt.«
    Alice seufzte. »Woher willst du dann wissen, dass er im Schrank ist?«
    »Ich hab gehört, wie er ihn aufgemacht hat, und als ich wieder hingeguckt habe, war er weg! Und jetzt versteckt er sich im Schrank und wartet, dass ich einschlafe!«
    »Okay«, sagte Alice. Sie hatte beschlossen mitzuspielen. »Dann will ich mal im Schrank nachschauen. Aber ich sag dir gleich, da ist niemand. Pass auf, ich werd’s dir zeigen.«
    Sie bemühte sich, Sicherheit und Selbstvertrauen zu zeigen. Auf keinen Fall durfte ihre Fantasie mit ihr durchgehen. Sie überlegte, ob sie Dwight wecken sollte, damit er in den Schrank schaute und den Rest des Zimmers durchsuchte, verwarf den Gedanken dann aber. Sie war die Mutter ihrer Kinder. Sie musste sie beschützen, musste auf sie aufpassen. Wie sollte sie den beiden die Furcht vor Monstern unter dem Bett oder dem Schwarzen Mann nehmen, wenn sie nicht einmal mit einem kleinen eingebildeten Monster im Wandschrank fertig wurde?
    Du bist eine erwachsene Frau, mach dir nicht wegen solchem Kinderkram in die Hose.
    Mit entschlossenen Schritten ging sie zum Schrank, verharrte dann aber und zögerte. Ihr Herz raste, und ihre Hände schwitzten. Mach dich nicht lächerlich, ermahnte sie sich. Kein Mumm, kein Ruhm.
    Sie

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