Ich bin die Nacht
auf einen Barhocker, der aus einem alten Sattel gefertigt war, den eine hübsche junge Frau in engen Jeans und einem weißen Cowboyhut soeben verlassen hatte. Ihr langes schwarzes Haar floss ihr den Rücken hinunter wie ein Wasserfall im Mondlicht. Ackerman spürte ihre Wärme auf dem Hocker, und ihn überfiel ein plötzliches, heftiges Verlangen nach ihrem Körper. Er stellte sich vor, wie er sie an sich drückte, über ihre nackte Haut streichelte …
Für ein paar Augenblicke ergab er sich der Fantasie eines normalen Lebens. Er sann darüber nach, wie es wäre, sich geliebt zu fühlen.
Doch er wusste, dass es auf der ganzen Welt keine Frau gab, die ihn, das Ungeheuer, so akzeptieren würde, wie er war. Außerdem lag eine Fortsetzung der Ackerman-Blutlinie überhaupt nicht in seinem Interesse. Nein, er würde der Letzte sein, und er spürte, dass sein langer Schlaf nicht mehr fern war.
Die winzige Frau, die hinter der Theke stand, kam zu ihm. Sie war vielleicht anderthalb Meter groß und hatte kurzes rotes Haar. »Welches Gift darf es sein?«, fragte sie.
Über die Brusttasche an ihrem grellen Asherton-Tap-T-Shirt war der Name Big Phil eingestickt.
»Darf ich fragen, was Big Phil bedeutet?«
»Philomena. Und darf ich fragen, was Sie wollen?«
»Ein Bier.«
»Was für eins?«
»Überraschen Sie mich.«
Die kleine Frau verdrehte die Augen, füllte ein Glas mit einer teuren Importmarke und stellte es vor Ackerman auf die Theke. »Überraschung«, sagte sie.
Er lächelte, so gut er konnte, und gab sich charmant. »Ich hätte da mal eine Frage …«
»Und welche?«
»Meine Frau und ich denken darüber nach, in diese Gegend zu ziehen. Derzeit arbeite ich als Deputy Sheriff oben in Oklahoma. Nun frage ich mich, ob ich einen Job als Deputy in Ihrem hübschen Bezirk bekommen könnte. Das hier wäre genau das Richtige für mich. Kennen Sie zufällig den hiesigen Sheriff? Vielleicht kann ich ja mal mit ihm reden, ob er die Möglichkeit sieht, mir einen Job zu geben.«
»Den Sheriff? Sicher kenne ich den. Ich kenne ihn sogar ziemlich gut. Er kommt oft hierher, weil seine Tochter bei mir kellnert.«
Ackerman strahlte. Eine Tochter?
»Er ist ein prima Kerl«, fuhr Big Phil fort. »Für ihn zu arbeiten würde Ihnen sicher Spaß machen, aber er sucht sich seine Deputys sehr sorgfältig aus. Sie sind ein ziemlich eingeschworener Haufen.«
»Qualifiziert bin ich, also müsste ich den Job bekommen können, wenn ich es darauf anlege. Sie sagten, seine Tochter arbeitet für Sie? Vielleicht kann ich ihr meine Nummer geben, was meinen Sie? Dann könnte der Sheriff mich anrufen, falls er interessiert ist, und wir machen einen Termin aus.«
»Ich weiß nicht, ob Maggie damit einverstanden wäre.«
»Sie heißt Maggie?«
Big Phil nickte.
»Ist sie heute Abend hier?«
»Nein, ich habe ihr für heute freigegeben. Nach dem, was gestern geschehen ist, dachte ich, sie könnte eine Atempause brauchen.«
»Wieso? Was ist denn passiert?«
»Ein paar Kerle haben sie und den Neuen überfallen, als der sie nach Hause brachte. Zum Glück kennt der Neue sich mit Karate oder so was aus, denn er hat die Typen allesamt krankenhausreif geprügelt. Dem Mädchen wurde kein Haar gekrümmt. Was sagt man dazu.«
»Ja«, murmelte Ackerman. »Was sagt man dazu.«
Eine Stimme unterbrach sie. »He, krieg ich noch ’n Bier? Oder schwatzt ihr die ganze Nacht wie zwei alte Weiber?«
Big Phil starrte den Mann, der zwei Barhocker entfernt saß, zornig an. »Halt die Klappe. Das ist meine Bar, und ich mache hier, was mir passt. Wenn’s dir nicht gefällt, dann zieh Leine.« Mit einem Kopfschütteln wandte sie sich wieder Ackerman zu. »Leute gibt’s. Na ja, wie auch immer … ich habe gehört, es wären sieben oder acht Kerle gewesen, von denen sie überfallen wurden.«
Ackerman umschloss das Bierglas mit der Hand. »Na, Maggies Begleiter muss ja einiges draufgehabt haben. Wie sieht er aus? Über zwei Meter groß und hundertachtzig Kilo schwer?«
Ackerman glaubte zu wissen, um wen es sich handelte, konnte sich aber nicht vorstellen, dass ein solcher Zufall möglich war.
»Nee, er war ziemlich normal«, antwortete Big Phil. »Ich habe ihn nicht sehr gut sehen können. Sein Name fing mit M an … Matthew? Michael?«
»Marcus«, sagte Ackerman.
Sie schnippte mit den Fingern. »Genau! Kennen Sie ihn?«
Er ist es tatsächlich.
»Nein. Ich habe bloß geraten.« Er legte das Geld für sein Bier auf die Theke, dazu ein großzügiges Trinkgeld.
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