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Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Titel: Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Willers
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dem Bad und aus Jettes Mund. Befindet sich ein Kindergartenkind im Bad und brüllt »Ich bin fäärtich«, ist dies nämlich keine Feststellung, sondern ein Befehl.
Und der lautet: »Kann mir mal einer beim Poabputzen helfen?« »Einer« bedeutet: Mama oder Papa. Und damit steht sie mal wieder im Raum, die Kardinalfrage: Gehst du, oder muss ich?
    Ja, ich gestehe, wir stellen diese Frage relativ oft. Vermutlich liegt das an der neumodischen Art, in der Jochen und ich unseren Familienalltag organisieren: Wir machen beide beides – Job und Kinder. Diese partnerschaftliche Art der Lebensführung hat eine Reihe von Vorteilen, führt aber mitunter dazu, dass unsere Aufgabenbereiche nicht streng voneinander getrennt sind und ebenso wenig die damit verbundenen unangenehmen Pflichten. So findet man mich gelegentlich fluchend auf dem Wohnzimmerteppich, wo ich blöde Steuerbelege in Klarsichthüllen sortiere und behördliche Mantelbögen ausfülle, die ich nur begrenzt verstehe.
    Oder ich lungere in Werkstätten rum, weil das Auto komische Geräusche macht.
    Im Gegenzug kommt Jochen nicht drumherum, ab und an ein warmes Mittagessen zu kochen – oder kleinen Mädchen bei der Toilettenhygiene zu assistieren …
    Theoretisch jedenfalls. In der Praxis ist die Sache natürlich nicht ganz so einfach. Denn wenn ich nicht müssen mag, bedeutet das noch lange nicht, dass Jochen wollen muss – und umgekehrt. Hinzu kommt: Gehst-du-oder-muss-ich-Fragen haben die Angewohnheit, aus heiterem Himmel aufzutauchen, und dann ist keine Zeit, eine Familienkonferenz zu veranstalten.
Deshalb suche ich laufend nach schnellen Alternativen, mit denen ich mich erfolgreich drücken kann. Hier einige Varianten, die ich bereits getestet habe:

STRATEGIE EINS: der Dackelblick
    Der Dackelblick ist eine weibliche Domäne: Er muss flehend sein und Beschützerinstinkte wecken. Der Partner sollte sofort spüren: Das kann ich ihr jetzt auf keinen Fall noch zumuten, ohne einen mittelschweren Nervenzusammenbruch zu riskieren. Langwimprige, braun- oder kulleräugige Menschen haben es meist ein wenig leichter, den Dackelblick gut hinzukriegen. Ich setze ihn bevorzugt ein, wenn der dritte Elternabend innerhalb von zehn Tagen ansteht und mein Rücken schon beim Gedanken an die geschrumpften Kinderstühle Skoliose kriegt. Oder wenn ich für Jette eine neue Jacke gekauft habe, die nicht passt und/oder bescheuert aussieht. Und deshalb dringend umgetauscht werden muss – was mir aber superunangenehm ist, weil ich den Bon verschlampt habe!
    Testurteil : Bei Jochen hat der Dackelblick immer funktioniert. Er ist im Laufe der Jahre ein begnadeter Kinderklamottenumtauscher geworden und schafft es, sogar dann das Geld zurückzukriegen, wenn die Kinder die Etiketten bereits abgeschnitten haben. Allerdings ist meine Dackelblick-Erfolgsquote schlechter geworden, seit ich eine Brille trage. Offensichtlich kommt
mein Flehen nicht so gut rüber, wenn sich zwischen Dackel und Adressaten vier Dioptrien und ein strenges Horngestell befinden.

STRATEGIE ZWEI: das ernste Wörtchen
    Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen ist, aber bei uns hat die Statistik Schieflage: Nehmen wir zum Beispiel den letzten Samstag. An diesem Tag riefen die Kinder 31-mal Mama und nur zwölfmal Papa. Sie riefen: »Mama, wo sind meine Haarklämmerchen?« Und: »Mama, der Reißverschluss geht nicht.« »Mama, ich will ein Eis.« Und: »Mama, holst du mir die Inline-Skater vom Schrank?« Diese Mamamanie beobachte ich schon seit Längerem.
    Und ich fühle mich dadurch bei der Gehst-du-oder-muss-ich-Frage benachteiligt. Denn wenn die Kinder »Mama« rufen, ist klar, wer gehen muss: ich. Kürzlich habe ich deshalb mit den Kindern ein ernstes Wörtchen geredet: Ich habe mir zum Muttertag gewünscht, dass sie die Statistik in Ordnung bringen – und öfter mal »Papa« rufen. Das klappte am Anfang ganz gut. Neulich zum Beispiel riefen sie: »Papa, können wir ein Eis?« Und Jochen sagte: »Ja!« Sie riefen auch: »Papa, der Reißverschluss klemmt!« Und Jochen pfriemelte das Futter aus den Zacken. Doch dann riefen sie: »Wo sind Haarklämmerchen?« Und Jochen sagte: »Da müsst ihr Mama fragen.« Und gestern Nacht gegen null Uhr 30 war ich komplett desillusioniert. Jette rief: »Papa, da ist
ein Spunk unter meiner Kommode! Papa, ein Spunk!« Doch Jochen rührte sich nicht. Er schlief fest und zuckte nicht mal mit der Wimper. Stattdessen saß ich bereits nach dem ersten Schreckensschrei unserer Tochter senkrecht im Bett,

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