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Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Titel: Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Willers
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war hellwach und konnte auch nach erfolgter Spunkjagd nicht wieder einschlafen.
    Testurteil: Das ernste Wörtchen ist einen Versuch wert. Aber nur am Tag. In der Nacht sind die meisten Papas im Koma und können nicht – auch wenn sie müssten!

STRATEGIE DREI: die fehlende Zitrone
    Kinderlose Bestseller-Autoren wie Hape Kerkeling schaffen es bis auf den Jakobsweg. Mir reicht ein Ausflug zum Altglascontainer. Oder die Feststellung, dass ich ganz dringend noch Zitronen brauche. Hauptsache, ich bin dann mal weg. Oder sagen wir: kurzfristig unauffindbar. Zum Beispiel dann, wenn die Kinder mit der Uno-Schachtel herumfuchteln (kein Mensch kann 13-mal in der Woche Karten spielen und immer verlieren). Oder wenn sie mit selbst gebastelten Eintrittskarten wedeln, auf denen steht: »Zirkus Fidellini, letzte Vorstellung vor der Sommerpause« (kein Mensch kann täglich Zirkusvorführungen beklatschen, bei denen sich ein wild gewordenes Sumpfkrokodil in Strumpfhosen festbeißt und eine Balletttänzerin lauter schiefe Purzelbäume macht).

    Bis vor Kurzem gab es noch eine dritte Situation, in der ich den starken Drang verspürte, Zitronen kaufen zu gehen. Und das war immer dann, wenn ein Kind mit Lesebuch auftauchte: Eine Leseanfängerin mit offenen Ohren zu begleiten, ohne nervös zu werden, ist nämlich eine echte Herausforderung. Nicht nur, weil ErstklassLesebücher dubiose Geschichten erzählen von Mimis, die mitunter muntere Mäuse melken, und Tassilos, die tapfer in Türmen turnen. Sondern auch, weil Erstklässler sich jede Silbe in Zeitlupe erarbeiten müssen und dabei nicht immer zu dudentauglichen Ergebnissen kommen. Oder haben Sie etwa schon mal von Geh-Eulen und Limof-Laschen gehört?
    Testurteil : Die fehlende Zitrone ist eine zuverlässige Strategie, um sich zu drücken. Allerdings muss man damit rechnen, dass der Partner spätestens bei der siebten Zitrone das Spiel durchschaut. Und ziemlich sauer wird!

STRATEGIE VIER: die einfache Lösung
    Kommen wir noch mal zurück zu unserem Sonntagsfrühstück. Was kann man tun, wenn das Kind den Po abgeputzt haben will, während man gerade in ein Marmeladenbrötchen beißen möchte? Man kann sich drücken und dabei Strategie eins oder auch drei anwenden. Drei eignet sich allerdings sonntags nur bedingt – es sei denn, es gibt in der Nähe einen Altglascontainer
ohne Anwohner, die auf ihre Ruhezeiten pochen. Oder eine 24-Stunden-Tankstelle, die auch Zitronen verkauft. Man kann aber auch Strategie vier ausprobieren: die einfache Lösung. Und genau das taten Jochen und ich. Wir guckten uns an diesem Sonntagmorgen tief in die Augen, und dann riefen wir einstimmig: »Mensch, Jette, das kannst du doch längst selber!« Danach hörten wir nur noch das Rauschen der Spülung.
    Und ein Mädchen, das seine Hände in Unschuld wusch.
    Testurteil: Auf die einfachen Sachen kommt man immer zuletzt!

Die große Freiheit fängt klein an
    Wenn Kinder selbstständiger werden, verändert sich auch für ihre Eltern eine Menge. Ich jedenfalls entdecke ganz neue Seiten an meinem Leben.

    Es ist gerade mal einen Sommer her, da war ich noch voller Sehnsucht. Ich sehnte mich danach, an einem ganz normalen Mittwochnachmittag am Küchentisch zu sitzen, Kaffee zu trinken und die Seite drei in der »Süddeutschen Zeitung« zu lesen. Allein. Die Kinder, so träumte ich kühn, würden draußen spielen. Und alle halbe Stunde mal vorbeischauen, um was zu trinken. Oder mir Geld für ein Stängeleis abzuschwatzen.
    Doch noch im letzten Sommer sehnte ich mich vergeblich. Denn noch im letzten Sommer hatte Clara zu viel Angst, um draußen für längere Zeit auf Erkundungstour zu gehen. Und Jette hatte zu wenig Angst: Ließ man sie allein in den Hof oder auf die umliegenden Grünflächen, musste man permanent fürchten, sie
würde kopfüber in den nächsten Brunnen stürzen. Oder mit ihrem Fahrrad in ein parkendes Auto krachen.
    So kamen und gingen die Mittwochnachmittage. Und so kam und ging die Seite drei. Meistens landete sie abends ungelesen im Altpapier – und für mich endete wieder ein Tag als politisch ungebildeter Mensch.
    Und dann plötzlich war er da: Der! Mittwochnachmittag! Es war ein Mittwoch im April. Und die Seite drei begann mit dem mysteriösen Satz »Mit Lucky fängt das Unglück an«. Ich begann zu lesen, rechnete aber damit, dass ich nicht weit kommen würde auf meiner Reise in die Weltpolitik! Denn die Kinder waren gerade runter zur Garage gegangen, die Stelzen holen. Gleich würden sie rufen,

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