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Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Titel: Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Willers
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Sie jetzt, was Brillenaufkleber mit roten Röcken zu tun haben. Und was überhaupt ein Aufkleber auf der Brille zu suchen hat. Zur ersten Frage: Eben! Zur zweiten: Der Brillenaufkleber ist eine Folie, die elf Euro kostet und Jettes schielenden Kinderblick begradigen soll. Unsere Tochter hasst ihre einäugigen Stunden. Ich verstehe das. Trotzdem muss sie den Aufkleber tragen. Den frisch gebügelten Rock aber muss sie nicht tragen. Jedenfalls nicht abends um sieben, wenn ich schon mit dem Schlafanzug wedele und meine erzieherische Geduld am Ende ist. Jette aber wollte unbedingt noch feine Dame spielen. Und deshalb zerknüllte sie den Aufkleber, kaum hatte sie ihren Wenn-dann-Satz beendet. Und ich? Holte reflexhaft aus. Und boxte ihr fest in den Arm, der zu der Hand mit den zerknüllten elf Euro gehörte. Das haute rein! Bei mir. Und bei Jette, die so verblüfft war, dass sie sofort alles fallen ließ. Und folgende zwei Sätze sprach: »Du bist eine ganz schlimme Mama. Dafür musst du ins Gefängnis!«
    Noch am selben Abend wurde mir der Prozess gemacht. Das Urteil: Lebenslang! Mutter! Zum Glück mit Bewährung!

Das werde ich nie verstehen !
    Das Leben mit Kindern ist voller Rätsel. Ich ahne, warum: Kinderwelten liegen 30 bis 40 Lebens(licht)jahre entfernt von Erwachsenenwelten – und auch die besten Überbrückungskabel haben mal Knoten!

    Meine Kinder lieben Rätsel. Beinahe jeden Tag tischen sie mir ein neues auf: »Mama, was ist das: Je mehr man davon isst, desto mehr bleibt davon übrig?« »Schokolade«, sage ich dann mit gespielter Ratlosigkeit. »Wenn ich Schokolade esse, bleibt immer jede Menge Speck übrig, und der sitzt an meinem Po!« »Nä«, sagt Jette mit ernsthafter Entrüstung über so viel Doofheit: »Wenn wir Schokolade essen, bleibt doch nie was übrig – bloß außer Papier …«
    Also muss ich weiterraten: »Der Hirsebrei aus dem Märchen der Gebrüder Grimm, der überschwemmte doch die ganze Stadt …!?« Gebrüder? Grimm? Jette guckt mich mitleidig an. »Mama, du musst richtig raten. Es sind Nüsse!!!« Und noch während ich die Augen
aufreiße und sehr überrascht bin, kriege ich die nächste Fangfrage serviert: »Mama, was ist das: Es hört ohne Ohren, es spricht ohne Mund und antwortet in allen Sprachen?« Ja, meine Kinder geben mir Rätsel auf. Oft tun sie es bewusst und weil sie wissen wollen, ob sie was wissen, was ich nicht weiß. Genauso oft merken sie es aber auch gar nicht, dass das Leben mit ihnen für mich voller unerklärlicher Phänomene ist. Dann stehe ich da und staune und frage mich still:

WAS IST DAS? Es sieht aus wie ein großer Frosch, der sich ins Kinderbett verirrt hat. Küsst man ihn, wird er aber kein Prinz!
    Der Kinderschlaf ist ein merkwürdiges Phänomen: Am Anfang ihres Lebens schlafen kleine Menschen ständig – bloß nicht dann, wenn man selber schlafen will. Später wird das mit der richtigen Taktung besser. Dafür entwickeln sich neue Rätselhaftigkeiten. Nehmen wir zum Beispiel die Schlafposition: Es ist mir völlig schleierhaft, wie ein Mensch mit angezogenen Beinen auf dem Bauch schlafen kann, ohne die Blutzirkulation völlig zum Erliegen zu bringen. Jette kann das! Sie hockt im Bett wie ein Frosch. Und schläft dabei so tief, dass ich daneben eine Podiumsdiskussion veranstalten könnte! Verschärfend kommt hinzu: Sie macht beim Schlafen die Augen nur halb zu – und erschreckt ihre Beobachter in jeder REM-Phase mit wildem Pupillenrollen.
Fragen wir sie am Morgen, was sie geträumt hat, weiß sie in der Regel von nichts. Nur neulich sagte sie: »Heute Nacht war ich im Märchen.« »Aha«, sagte ich, »in welchem Märchen warst du denn. Beim Froschkönig?« »Nee«, sagte unser Kind, »Hänsel und Gretel. Sie vergingen sich im Wald.« Das allerdings erklärt auch heftigstes Augenrollen, meine ich.

WAS IST DAS? Es ist braun und süß und rund. Und es geht mir auf den Keks!
    Bis ein Kind vernünftig schläft, dauert es. Bis es vernünftig isst, allerdings auch. Ich werde zum Beispiel nie begreifen, warum sich meine Kinder statt ordentlicher Tischmanieren immer neue Marotten ausdenken. Ich rede hier nicht von der Tatsache, dass Jette Käsebrote mit Ketchup isst. Oder Clara »Pizza Margherita, aber ohne Margherita« bestellt. Ich rede auch nicht von Kindern, die sich von nichts als bayrischen Brezen ernähren und rätselhafterweise trotzdem normal weiterwachsen. Nein, ich rede von gerollten Prinzen und dicken Männern, denen sinnlos Gewalt angetan wird. Und

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